Beim Umbau der BLS-Werkstätte Bönigen wurde jedes Hallendach mit einer Photovoltaikanlage bestückt. Mit einem intelligenten Energiemanagement wird die Energie in Batterien und thermischen Speichern bis zum Verbrauch zwischengelagert. Als ergänzende Energiequelle wird dem Brienzersee je nach Bedarf Wärme oder Kälte entzogen. In Zusammenarbeit mit der fux & sarbach ENGINEERING AG hat die BLS eine Lösung gefunden, welche die nachhaltigen Energien optimal ausschöpfen und die Energie bedarfsgerecht liefern kann.
Die BLS ist ein Mobilitätsanbieter. Sie verbindet Menschen, Regionen und Orte. Zusammen mit den Dienstleistungen im Güterverkehr ist die BLS eines der grössten Verkehrsunternehmen der Schweiz. Solche Angebote brauchen viel Energie. Hier gilt es heute, ökologische und intelligente Lösungen zu finden. Im folgenden Beitrag stellen wir ein Beispiel vor.
Im Zuge des Umbaus der BLS-Werkstätte Bönigen im Berner Oberland wurde durch ein Innovationsteam unter der Leitung von Elmar Bumann, BLS, und Simon Sarbach, fux & sarbach ENGINEERING AG, ein Anlagen- und Energiekonzept mit wegweisendem Charakter entwickelt. Dies beinhaltet
die folgenden Herausforderungen: Eigenverbrauch Photovoltaik-Energie mit Speicherung und Wärmeerzeugung sowie das Erweiterungspotenzial zur Wasserstoff- Herstellung.
SCHWERPUNKTE
Ziel war es, eine innovative und nachhaltige Energienutzung zu realisieren, die CO2- Emissionen zu senken und der Energiestrategie 2050 des Bundes Rechnung zu tragen. Die Projektgrundlagen wurden in Anlehnung an vorliegende Verbrauchsdaten und anhand des zukünftigen Ausbaupotenzials
des Areals ermittelt. Im folgenden Übersichtskonzept werden die Hauptkomponenten dargestellt. Als Primärenergiequelle und Grundlage für die weiteren Haustechnikanlagen und Speichermedien der Werkstätte dient die PV-Anlage auf dem Areal mit 2.5 Megawatt peak.
Schwerpunkte des Energie- und Anlagenkonzepts liegen bei den Hauptmerkmalen:
• maximale Nutzung der lokal produzierten erneuerbaren Energie,
• Erhöhung des Eigenverbrauchs der elektrischen und thermischen Energie durch den energieoptimierten Betrieb der Werkstätte während den Arbeits- und Betriebszeiten,
• Wassererwärmung von Prozesswarmwasser, Brauchwarmwasser und Raumheizung mit zwei Mitteltemperatur-Wärmepumpen und einer Hochtemperatur-Wärmepumpe (Wärmequellen = Seewasser) zur weiteren Steigerung der lokal verwendeten PV-Energie,
• radikale Reduktion des Erdgasverbrauchs auf dem Areal – Ersatz durch erneuerbare Energien,
• Zwischenspeicherung der elektrischen Energie in Batteriespeichern,
• als mögliches Erweiterungsprojekt lokale Wasserstoffproduktion zur Maximierung des Eigenverbrauchs. Die zeitlich flexible Nutzung des gespeicherten Wasserstoffs ermöglicht eine zukünftige Dekarbonisierung der Fahrzeugflotte für logistische Dienste der BLS.
Die aus dem Projekt gewonnen Erkenntnisse, Kennzahlen und Erfahrungen sollen für weitere Projekte nutzbar sein. Im Zusammenspiel der oben aufgeführten Konzepte und Systeme wird ein hocheffizientes, intelligentes und vorbildliches Energiekonzept realisiert und betrieben.
Um den lokalen Strombedarf auf dem Areal weitgehend durch PV-Strom zu decken, wird dieser temporär in verschiedenen Medien zwischengespeichert. Die Herausforderung besteht darin, dass während der Arbeitstage mit durchschnittlicher Sonneneinstrahlung eine Kurzzeitspeicherung mit einem Batteriespeicher weitgehend genügt, an Wochenenden und langen sonnigen Sommertagen jedoch eine massiv grössere Speicherkapazität notwendig wäre. Aus wirtschaftlichen Gründen wird ein Kompromiss zwischen Sommer- und Winterertrag für die Speichergrösse evaluiert.
Eine ebenfalls interessante Technologie stellt die Herstellung von Wasserstoff dar (zukünftiges Erweiterungsprojekt). Es können grosse Energiemengen gespeichert werden und die Abwärme der Elektrolyse kann zur Warmwasseraufbereitung genutzt werden.
ENERGIE AUS DEM «TÜRKIS-SEE»
Die Funktionsweise der Wärmepumpe ist ähnlich der des Kühlschranks. Während der Kühlschrank seinem Innenraum Wärme entzieht und nach aussen abgibt, entzieht die Wärmepumpe der Umwelt Wärme und gibt diese als Heizenergie an das Areal ab. Dabei dient der Brienzersee als Energiequelle. Dieser wird mit einer Seewasserfassung und einer Spülbohrung angezapft.
Das Seewasser wird in etwa 30 Metern Tiefe mit circa acht Grad Celsius entnommen und an die Wärmetauscher weitergegeben. So werden die bestehenden und neuen Werkhallen mittels Seewassernutzung mit Wärme resp. Kälte versorgt. Der Brienzersee ist ganzjährlich ein eher kalter See und eignet sich somit sehr gut für das Freecooling. Dabei wird das Seewasser direkt genutzt, um die Werkstätte zu kühlen.
DAS WÄRMEERZEUGUNGSKONZEPT
Mit zwei Niedertemperatur-Wärmepumpen wird das notwendige Brauchwarmwasser und das Heizwasser für die Werkstätte produziert. Bei Energieüberschuss der PVAnlage wird auf Vorrat Energie in den thermischen Speichern mit einem Volumen von 48 Kubikmetern zwischengespeichert.
Die Wärmepumpen können reversibel betrieben werden. Das bedeutet im Sommer: Wenn Kühlbedarf besteht und gleichzeitig Warmwasser benötigt wird, erzeugen die Wärmepumpen Kälte und Wärme. Falls ausschliesslich gekühlt werden soll, wird das kalte Seewasser direkt über Plattentauscher an das Areal abgegeben. Zur Zwischenspeicherung steht ein Kältespeicher von 24 Kubikmetern zur Verfügung.
Für die Reinigung braucht es Prozesswasser auf einem Temperaturniveau von 85 Grad Celsius. Die Temperatur wird mit einer Hochtemperatur-Wärmepumpe erzeugt und kann mittels eines Tanks von 24 Kubikmetern gespeichert werden. Die benötigte Quelltemperatur von 50 Grad Celsius wird mit der Abwärme der Druckluftkompressoren, den Niedertemperatur-Wärmepumpen und im Falle einer zukünftigen Wasserstoffproduktion mit der Abwärme der Elektrolyse
bereitgestellt. Der positive Effekt: Man hat Hochtemperatur-Prozesswasser aus dem Niedertemperaturspeicher oder der H2-Abwärme.
EVALUATION DES BATTERIESPEICHERS
Für die Evaluation des Batteriespeichers wurde ein Vergleich zwischen verschiedenen Batterietechnologien (Salzbatterie, Salzwasserbatterie, Lithium-Ionen und NiMH / Nickel-Metallhydrid) erstellt. Zusammen mit der BLS wurden Anforderungen an den Speicher definiert und gewichtet. Das Hauptaugenmerk wurde dabei auf folgende Punkte gelegt: Umwelt (giftige Materialien, Elektrolyt, Rezyklierbarkeit, Entsorgung) und Sicherheit (Brennbarkeit, Entflammbarkeit, Löschprozess, Explosion, Gefahren).
Danach wurden die Batteriespeicher anhand ihrer Eigenschaften zu den einzelnen Anforderungen benotet. Die Anzahl der Punkte pro Speichertechnologie wurde anhand der Gewichtung und der vergebenen
Noten errechnet.
Gemäss der Nutzwertanalyse wurde ersichtlich, dass sich für die im Projekt gestellten Anforderungen die Salzbatterie und die Nickel-Metallhydrid-Technologie am besten eignen. Der Produktentscheid der Batterie steht jedoch noch aus, da eine Abhängigkeit zwischen der Wahl des Batteriespeichers und der «Option Erweiterungsprojekt Wasserstoff- Herstellung» besteht.
CLEVERER GESTEUERT
Es wird ein übergeordnetes und interaktives Energie-Management installiert. Durch intelligentes Kombinieren und Zusammenführen aller Energieflüsse kann der Eigenverbrauch maximiert werden, ohne Nachteile oder Einschränkungen
für die betrieblichen Abläufe in Kauf zu nehmen.
Folgende Faktoren werden berücksichtigt:
• Einbezug von meteorologischen Vorhersagen auf zu erwartende Energieerträge,
• Berücksichtigung energieintensiver Prozess- und Arbeitsabläufe in der Werkstätte,
• Nutzen schaltbarer elektrischer Lasten für das Erreichen von planbaren Lastprofilen (Eigenverbrauchsoptimierung),
• Bewirtschaftung von Energiespeichern,
• Einbezug von Wochenenden, Ferienzeiten und Feiertagen.
Die Umwandlungs- und Speichertechniken sind modular aufgebaut und können flexibel erweitert oder zwecks Optimierung auch temporär ausser Betrieb genommen werden. Die verschiedenen Technologien im Bereich der nachhaltigen Energien entwickeln sich rasant weiter. Das Projekt soll für zukünftige Entwicklungen offenbleiben und erweiterbar sein.
KLEINES FAZIT
Dieses Projekt bietet die Chance, eine optimierte Energienutzung in einem industriellen Betrieb mit mittlerem Strombedarf und Hochtemperaturprozesswärme sowie Heizund Brauchwarmwasser zu realisieren. Mit einem intelligenten Energie-Management wird der Strombedarf aus dem Netz reduziert und die fossile Wärmeerzeugung zusätzlich minimiert. So wird der CO2-Ausstoss um bis zu 80 Prozent verringert. Rund zwei Drittel des produzierten Stroms werden direkt von der Werkstätte verbraucht. Der Rest – Strom für rund 175 Haushalte – wird ins Netz eingespeist.
Durch eine mögliche zukünftige Einbindung der Wasserstoffelektrolyse kann die lokale Stromerzeugung mit dem Transportsektor kombiniert werden, um die Treibhausgasemission weiter zu reduzieren. So kann die Synergie mit öffentlichen Tankstellen genutzt werden. Das Projekt mit seinen Speichertechnologien Batterie, Wasserstoff und Wärme ist eine hervorragende Gelegenheit, um den Einsatz dieser Technologien unter Beweis zu stellen und das Zusammenspiel zu optimieren. Mögliche Zukunftsperspektiven sind auch in dem bedeutenden Beitrag zur Energiestrategie 2050 des Bundes zu verorten. In erster Linie steht aber das Sammeln von Erfahrungen, Erkenntnissen und Vergleichszahlen im Rahmen dieses Pilot-Projekts auf der Agenda.
SIMON SARBACH
ist Geschäftsführer von fux & sarbach
ENGINEERING AG.
ELMAR BUMANN
ist Leiter der Ausführung Hochbau der
BLS Netz AG.