Die Qualität der Produkte und Dienstleistungen steht im Zentrum des täglichen Tuns – stets unter der Prämisse eines menschlichen Zusammenarbeitens. Hörmann repräsentiert ein traditionsreiches Familienunternehmen, kann sich aber auf seinen Lorbeeren nicht ausruhen. Es braucht gerade in diesen schwierigen Zeiten innovatives Herzblut für Mensch und Produkt. Wir führten ein Interviewmit Andreas Breschan, dem CEO der Hörmann Schweiz AG, und starten mit einem kleinen Spaziergangdurch die Geschichte.
In den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts setzte Hörmann zum ersten Mal ein Zeichen: Es ging um die industrielle Fertigung eines neuartigen Garagen-Schwingtors. In jener Zeit löste in Europa die fordistische Fliessband-Produktion mit ihrer tayloristischen Arbeitsteilung die klassischen Manufakturen endgültig ab. Wie gestaltete sich dies bei Hörmann?
Hörmann hat sehr schnell erkannt, dass man das Produkt Garagentor mit seinen Trapezblechen seriell, sprich industriell herstellen kann. Mit einem ausgeklügelten Kaltumform-Verfahren ab Blech-Coil und Assembling-Schritten konnte man auf innovative Weise grosse Volumen bedienen.
Wie funktioniert der Produktionsprozess Kaltumformung?
Kaltumformung bedeutet, dass Metall – in diesem Fall Blech – ohne Zuführung von Hitze unter Druck umgeformt werden. Das kann dann unterschiedliche Stufen beinhalten, bis das Blech das Wunschformat hat. Der Vorteil dieses Verfahrens liegt in der hohen Fertigungsgeschwindigkeit und vor allem in der optimalen Materialausnutzung. Während beim Drehen und Stanzen verfahrensbedingt Materialverluste von bis zu 50 Prozent üblich sind, liegt der Verlust bei der Kaltumformung in der Regel nur bei zehn Prozent. Schon damals zeigte sich, dass Effizienz zu Innovationen führen kann. Hier betraf es das Beispiel der Torblätter.
Das Gleiche könnte man aber auch in Bezug auf die dazugehörenden Rahmen, Beschläge und Scharniere aufzeigen. Es gab damals eine Welle der Automatisierungen im Rahmen einer starren Fliessbandproduktion und der von Ihnen angesprochenen tayloristischen Arbeitsteilung. Hörmann war da in den Fünfzigerjahren früh am Start. Das war, dies lässt sich rückblickend sagen, die Geburtsstunde einer Erfolgsgeschichte.
Wie ging es weiter?
Mit derselben Philosophie hat man dann auch andere Produkte nachgezogen. So kam es dann mit der Zeit auch zu einer
Kostenführerschaft. Hörmann konnte qualitativ hochwertige Produkte zu vergleichsweisen günstigeren Preisen anbieten. Der klassische Schlosser oder Baublechner …
… der ja noch in handwerklichen Manufakturen gearbeitet hat …
… konnte da nicht mehr mithalten. Das betrifft sowohl die Qualität als auch das Volumen und den Preis.
Das ist interessant, da heutige Produktionshallen wieder Manufakturen gleichen, allerdings sind sie voll digitalisiert.
Gehen wir weiter durch die Geschichte. Hörmann bleibt trotz beachtlichem Wachstum ein Familienunternehmen aus der westdeutschen Provinz. Aus Steinhagen hat man sehr unterschiedliche Standorte auf dem Globus im Blick. Wie funktioniert das bis heute?
Der Gründer hat folgenden Satz geprägt: «Einen guten Namen muss man sich erarbeiten.» Das ist noch heute das Leitmotto. Man arbeitet persönlich für seinen Namen, seine Reputation würde man heute sagen. Das lässt man nicht andere machen. Man ist selbst bei den Innovationen dabei, kennt seine Verantwortungsträger und zieht die Angestellten von unten nach oben. Quereinsteiger gibt es eher selten. Das ist gerade heute ein grosser Unterschied. Die familiäre DNA bleibt im Hause. Dazu kommt eine konservative Finanzpolitik. Man gibt nur das Geld aus, das man hat. Das heisst aber auch: konsequentes Reinvestieren vom Gewinn. Bei Hörmann knallen nicht die Sektkorken, weil man Gewinn gemacht hat, von dem man sich dann eine Jacht kauft und in St. Tropez vor Anker liegt. Das ist hier nicht vorstellbar.
Oligarchenjachten stehen gerade nicht hoch im Kurs.
Das ist bei Hörmann aber keine tagespolitische Entscheidung, sondern eine Philosophie, die seit Jahrzehnten gepflegt wird.
Die Kombination der Stichworte konservative Philosophie und Familienunternehmen erinnert mich an Unternehmen wie Trigema mit Wolfgang Grupp an der Spitze. Trigema produziert Textilien in Burladingen und nicht in Bangladesch. Hörmann ist aber auf vielen internationalen Märkten tätig.
Hörmann agiert innovativ, bewegt sich aber auf einem konservativen Fundament im Sinne von bewährt und verlässlich. Wir zementieren uns aber nicht ein. Man setzt auf bewährte Vorgehensweisen und Produkte und hat trotzdem neue Chancen im Blickfeld.
Wie sieht dies bei der Organisation des Unternehmens aus?
Da setzt Hörmann auf den Multiplikatoreneffekt.
Das sollte erklärt werden.
Es geht um ein System, bei dem man nicht langwierig selbst einen Vertrieb im Markt aufbauen muss. Ich suche Wiederverkäufer. Ich baue und kaufe keine Niederlassungen. Es gibt nur eine Niederlassung im Land. Das sind alles selbstständige Unternehmer*innen. Wenn irgendwann irgendwas passiert, kann ich sofort vom Netz gehen und habe keine unnötigen Festkosten. Die Verantwortlichen werden im Rahmen eines identischen Schemas ausgebildet. Sie selbst können dann wieder andere hochziehen. So sieht der Multiplikatoreneffekt im Land aus. Er kann aber auch global in anderen Märkten eingesetzt werden. Dabei ist jedes Werk auf auf ein einziges Produkt spezialisiert und verfügt über das Know-how. Wenn das Produkt die Rampe der Hörmann-Werk verlässt, ist das Geschäft gemacht. Es geht nicht darum, in den einzelnen Ländern möglichst viel Gewinn zu erzielen, sondern mehr Volumen und Gewinn in der Fabrikation zu erzeugen. Am Anfang steht eine Produktlinie für ein Produkt und dann kommen mit der Zeit weitere Produktlinien mit dem gleichen Produkt dazu. Auch das ist ein Multiplikatoreneffekt. Das macht Hörmann so stark.
Gibt es aber nicht Unterschiede zwischen den Ländern, nehmen wir die Schweiz und Deutschland?
Die DACH-Länder sind, was die Baubranche betrifft, ungefähr gleich aufgestellt. Innerhalb der skizzierten Philosophie haben wir Spielräume. Wir suchen nicht den direkten Weg zum Kunden, sondern gehen über den Fachhandel.
Wir sind wieder beim wichtigen Stichwort Multiplikatoren.
Es gibt Länder, die ein geschlossenes Händlersystem haben. Bei uns verkaufen unterschiedliche Akteure wie Hallenbauer, oder auch Schreiner unsere Produkte mit. Wir gehen aber auf jeden Fall über den Fachhandel. Dabei ist der Fachhandel nicht finanziell an uns gebunden. Wir bringen nur das Produkt, heute eher das Geschäftsmodell, in den Handel.
Zwischen der Schweiz und Deutschland gibt es aber Unterschiede, wenn wir die Kund*innenseite anschauen. Schweizer*innen leisten sich noch eher den Fachbetrieb, wenn sie eine gute Beratung und gute Qualität bekommen. Sie wissen, dass sich das, auf einen längeren Zeitraum bezogen, auch ausbezahlt. In Deutschland ist eine solche Denke am Bröckeln. Hier will man auch Beratung, Qualität und Nachhaltigkeit, will aber nicht unbedingt mehr dafür bezahlen.
Kommen wir zum Thema digitale Transformation. Da hat es ja in den letzten Jahren unglaubliche Entwicklungen gegeben. Die Gebäudehülle mit ihren Zutrittssystemen und Berechtigungen kann heute mit einer App angesteuert werden. Über das Internet der Dinge werden nicht nur einzelne Produkte digitaler, sondern sie kommunizieren auch miteinander. Wie erkennt Hörmann, was den Zielgruppen wirklich Mehrwert bietet und was Science-Fiction ist?
Wir sind, ganz grundsätzlich gesagt, Hersteller von Bauelementen. Diese Produkte werden heute angesteuert. Als Anbieter musst Du sicherstellen, dass die Komponente, die Du verbaust, ansteuerbar ist.
Jetzt sind wir beim Stichwort Schnittstellen.
Ob ich jetzt Apple Home oder eine andere Lösung verwende, darf da keine Rolle spielen. Die grosse Frage ist wie weit wir bei der Entwicklung eigener solcher Systeme gehen sollen. Das wird sich noch zeigen.
Das klingt defensiv.
Ja, es macht einen Unterschied, ob Du industriell ein gutes Bauelement herstellst oder ob man eine Software entwickelt. Das sind zwei unterschiedliche Welten. Aber trotzdem gilt es, sich der Herausforderung zu stellen. Es sind hier aber unfassbar grosse und mächtige Player unterwegs, gegen die du als Newcomer kaum ankommen wirst. Daher machen zur Zeit strategische Kooperationen am ehesten Sinn.
Architekt*innen sind aus meiner Sicht, obwohl sie sich als innovativ ausgeben, eine konservative Gesellschaftsgruppe. Man sieht dies beispielsweise an nachhaltigen Themen. Wie bearbeitet Hörmann eine solch schwierige Zielgruppe?
Indem man sich von solchen Vorurteilen befreit.
Diese Kritik muss ich annehmen.
Es ist die Aufgabe von Architekt*innen, etwas anders und etwas quer zu denken und nicht jedem Mainstream-Thema hinterherzulaufen. Heute brauchen wir ungewöhnliche Lösungen für die gesellschaftlichen Aufgaben der Zukunft. Nehmen wir nur die Tatsache, dass unsere Gesellschaft immer älter wird. Wir machen das, was von uns erwartet wird. Architekt*innen sollten da viel kreativer sein. Ein guter Architekt oder eine gute Architektin weiss am Ende des Tages, was machbar ist. Er oder sie weiss aber auch, dass es Provokationen und frische Gedanken braucht, um weiterzukommen. Es gilt, das klassische Know-how mit Phantasie zusammenzubringen. Viele Architekt*innen wollen von uns auch gar nichts Spezielles hören, sie wollen einfach eine gute Beratung. Wenn ich einem Architekten die Schnittstellenanzahl verkleinern kann, bin ich der Held.
Mit dem Hörmann-Architektenprogramm kann man mit nur wenigen Mausklicks individuelle Ausschreibungstexte erstellen sowie die Zeichnungen der Hörmann-Produkte nutzen. Wo lag der Grund für die Erstellung einer solchen Software?
Die Produktvielfalt ist gross. Auf der Website wirst Du fast erschlagen. Das Architektenprogramm führt die Architekt*innen über unterschiedliche Funktionsattribute wie Brandschutz zur passenden Lösung. Am Ende des Tages steht aber oft noch ein Telefongespräch oder eine Teams-Sitzung an. Dabei hilft uns die grosse Erfahrung unserer Berater und der Umstand, dass wir seit Jahren erfolgreich am Markt sind.
Gibt es solche direkten Ansprachen auch noch für andere Zielgruppen?
Ja, da begeben wir uns in eine ganz andere Welt: in die der Betreiber von Anlagen im industriegewerblichen Bereich. Der Kunde ist dafür verantwortlich, dass das Gebäude funktioniert. Mit diesen Verantwortungsträgern ist es schwer in Kontakt zu kommen, aber mithilfe von Umfragen haben wir uns ein Wissen angeeignet, wo die tatsächlichen Bedürfnisse liegen. Da geht es nicht darum, ob ein Tor schnell auf- und zugeht oder ob die Isolierungswerte optimal sind. Das wird als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt. Der entscheidende Punkt betrifft den Service. Sie wollen einen guten Service und wir bieten diesen. Das ändert unsere Marktverarbeitungsstrategie. Die Zielgruppe will eine Person als Ansprechpartner, die immer erreichbar ist und als Kümmerer agiert.
In Ihrem Büro stehen viele Preispokale. Welche Preise hat Hörmann gewonnen?
Hörmann hat viele Fans unter Architekt*innen. Das ergab zum wiederholten Male eine Befragung der Heinze Marktforschung von Verantwortungsträgern für den «Architects’ Darling Award». Hörmann wurde in den Kategorien «Toretechnik» und «Türen» am besten bewertet und erhielt die Gold-Auszeichnung. Das betrifft Deutschland, aber auch die Schweiz. Auch bei einem weiteren Preis stehen wir ganz oben auf dem Treppchen. Es hat mich ausserordentlich gefreut, dass ich meinen Mitarbeitenden die Trophäen des «Craftsmen’s Favorite»-Awards präsentieren konnte. Das heisst, dass auch das verarbeitende Gewerbe am liebsten Hörmann Produkte einsetzt.
Kommen wir noch zu einem Makrothema. Nicht wenige Wirtschaftstheoretiker sehen das Zeitalter der Globalisierung, welches seit 1990 hegemonial ist, für beendet an. Wir befänden uns wieder in einer neuen Blockkonfrontation, die jetzt aus mehreren Blöcken besteht. Ist diese These richtig und wo spürt das Hörmann?
Ja, zunächst haben wir ganz praktisch längere Lieferzeiten, beispielsweise für Elektronikkomponenten. Die Lieferketten sind gespannt und einige auch gerissen. Ich sehe aber nicht das Ende der Globalisierung. Das ist eine Etage zu hoch gegriffen. Es wird aber einen grösseren Fokus auf das Absichern von Lieferketten geben. Die Globalisierung als Allheilmittel hat ausgedient. Es zählt nicht immer der billigste Preis, sondern Qualität und Lieferfähigkeit gewinnen strategisch an Bedeutung. Da kann es auch sein, dass man Produktionen zurückholt. Es wird einen Mix aus Lieferanten geben, die man hier im nationalen oder europäischen Raum am Leben erhält, und andere, bei denen man gleichzeitig die Vorteile der Globalisierung weiterhin nutzt.