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Aus einer Hand

Wir sind mitten in der Energiewende und der Handlungsbedarf ist da. Dabei gilt es, über die Gebäudehülle hinauszudenken und unterschiedliche Handlungsfelder im Blick zu haben. Bauherren und Eigentümer, die ein hochwertiges Eigenheim oder eine neue Wohnung beziehen, wünschen sich Komfort, Sicherheit und einen niedrigen Energieverbrauch – das sind die Pfeiler, die auch eine Wertsteigerung bedeuten. Im folgenden Interview mit Pirmin Reichmuth, dem Geschäftsleiter der ecocoach AG, beleuchten wir die Herausforderungen.

Die Energiewende hat in der Schweiz in der Energiestrategie 2050 einen Rahmen und einen Namen. Sie wird in Sonntagsreden gelobt. Trotzdem, habe ich den Eindruck, verhalten sich Akteure, wie beispielsweise die Mehrheit der Architekten, passiv. Teilen Sie diese Position?
Grundsätzlich teile ich diese Auffassung. Uns als Akteuren, die die Energiewende vorantreiben wollen, kann es ja nicht schnell genug gehen. Man muss aber die Situation differenziert sehen. Es gibt sportliche aufgestellte Sympathieträger aus der Baubranche, die sind «First Mover». Sie setzen sich ein, wollen den Zeitgeist bewegen und präsentieren ihre Referenzbeispiele. Dazu gehören auch Architektinnen und Architekten und das ist ermutigend. Viele stehen aber noch in der Zuschauerrolle am Spielfeldrand und warten ab bis der nächste Innovationszyklus Fahrt aufgenommen hat – da ist Ihre Frage berechtigt. Die Verunsicherung ist noch gross und es gilt Fragen zu beantworten. Einige Schweizer Gründerakteure in der Solarbranche sind vom Markt verschwunden oder haben Probleme. Auch die Politik ist nicht immer hilfreich, da unterschiedliche Signale gesendet werden. Ich bin aber zuversichtlich, dass noch viele Verantwortungsträger aus der Baubranche in den nächsten Jahren die Wende vollziehen werden.

Nicht nur ich frage aber immer noch nach dem Warum. Heute gibt es marktreife technische Lösungen wie Solarpanels, die man in unterschiedlichen Farben in die Fassade integrieren kann. Oder nehmen wir ein zweites Beispiel, die Speicherlösungen, die jetzt voll ihre Potenziale ausspielen können. Das Thema E-Mobilität wird jetzt als Modul angedockt. Es gibt viele Gründe, die auf schnelleres Wachstum hindeuten.
Neuerungen haben es am Anfang immer schwer, denn Bekanntes und Bewährtes geben Sicherheit. Die Entwicklung der Solarbranche ist immer noch vergleichsweise jung. Man nimmt eben den sichtbaren Standard wahr: Das sind die blauen Platten auf dem Dach und nicht die integrierten Lösungen in der Fassade mit ihren angepassten Farben. Daher haben wir ja auch beim Thema Denkmalschutz noch so viele Barrieren zu überwinden … Ja, in den historischen Altstädten findet man kaum Solarlösungen.
«Ja, es gilt, ein realistisches und für den Kunden passendes Bild zu erstellen.»
Der heutige technische Stand erlaubt mit passender Energie- und Gebäudetechnik bis zu 80 Prozent Energieautarkie. Digitalisierung ermöglicht die Integration der gewerblichen Elektromobilität in ein ganzheitliches Energiemanagement. Diese sind nur ein paar aktuelle Möglichkeiten, die noch nicht zum Grundwissen herangereift sind. Die Weiterentwicklungen werden jedoch bald sichtbar werden. Das hilft dann auch dabei, sogar Skeptiker zu überzeugen.

Sie haben den Begriff Standard erwähnt. Solarlösungen sind aber noch lange nicht Normalität?
Wir bewegen uns, auf jeden Fall, was den Neubau betrifft, auf die Normalität zu. Aber bei den Gesamtlösungen, beispielsweise mit Speicher, E-Mobilität, oder smarte Steuerung und Abrechnung stehen wir noch am Anfang eines Prozesses. Da haben Sie sicher recht.

Lassen Sie mich aber den Prozess mit dem Thema Elektromobilität beispielhaft verdeutlichen. Hier gibt es inzwischen Treiber, die sich gegenseitig nach vorne puschen. E-Bikes waren vor zehn Jahren ein Thema für Senioren. Heute gibt es trendy Modelle für unterschiedlichste Zielgruppen, der Absatz brummt. Beim Thema Auto und E- Mobilität kommt es in den nächsten Jahren zu einem Kippmoment. Dann bewegt sich das Elektroauto aus der Nische in den Mainstream. Hier gilt es, vorbereitet zu sein, sprich, marktreife Lösungen zu haben. Das betrifft nicht nur die Batteriezellenfertigung, sondern auch Ladestationen vor dem Haus, die dann auch an die Speicherlösung im Keller smart gekoppelt sind. Eine entsprechende Kopplung an den bestehenden Hausanschluss erlaubt beispielsweise die Ladung des E-Fahrzeuges ohne kostenintensive Investiotion in einen Anschluss mit höherer Leistung.

Hier steht die ganze Branche unter Druck. Genau an diesem Punkt kommen unsere Dienstleistungen ins Spiel. Aber es gibt ohne Frage noch viel Aufklärungsbedarf und man muss die gesamte Situation anschauen. Nur die Gebäudehülle im Blick zu haben, ist definitiv zu wenig.

Aber das kostet dann auch mehr?
Es gilt, eine Wirtschaftlichkeitsrechnung zu machen, die ihren Bogen über mehrere Jahre spannt als Gesamtkostenbetrachtung des Betriebs. Besser bekannt unter der Bezeichnung Total Cost of Ownership (TCO). Wir bauen ja keine Produkte, die drei Jahre halten, sondern 15 bis 20 Jahre voll funktionsfähig sind. Ja, es gilt, ein realistisches und für den Kunden passendes Bild zu erstellen. Dazu kommen noch Pluspunkte wie Energieunabhängigkeit nach dem Motto «Meine Energie, Meine Freiheit». Ein Element, welches derzeit noch nicht in finanziellen Kennwerten dargestellt wird und in dieser Betrachtungsweise entscheidend ist. Wie viel ist Ihnen Unabhängigkeit wert? Schliesslich bleiben die spezifischen Einsparungen durch modernste Energiemanagement- und Automationslösungen. Es gibt für unterschiedliche Zielgruppen überzeugende Fakten und Argumente. Wir stehen wie gesagt am Anfang eines Prozesses – aber die Richtung stimmt.

Neben den Skeptikern gibt es auch die Optimisten mit viel Euphorie. Ihr Motto: Lasst uns doch einfach die Sonne einfangen und dann wird alles gut. Sieht die Praxis nicht oft komplizierter aus?
Hier braucht es technische Lösungen, die einfach sind, mir mehr Komfort und Ökologie liefern. Last but not least geht es um einen Mehrwert, sprich, eine Wertsteigerung der Immobilie. Die Systemlösungen, so wie wir sie anbieten, bringen wirtschaftliche Vorteile.

Hier ist es sicher wichtig, welche Zeichen die Politik setzt?
Die Rahmenbedingungen sind wichtig. Wir sind die Letzten, die nach immer neuen Verboten rufen. Aber wir brauchen verlässliche Gesetze, damit sich die neuen und gewünschten Technologien auch durchsetzen können. Beim Thema Eigenverbrauch kann man das praktisch auffächern. Ein politisches Hin und Her ist hier Gift. Alle Beteiligten wollen, gerade in unserer Branche, langfristig planen.

Ihr Haus will die Themen Sonnenenergie, Speicher, Mobilität und Smart Home und verschiedene dazu passende Serviceleistungen unter einen Hut bringen. Ist das nicht zu viel? Warum ist Ihr Haus in so unterschiedliche Felder eingestiegen?
Eine Photovoltaikanlage als singuläre Lösung macht aus heutiger Sicht, wo man individuell Strom speichern kann und will, eigentlich keinen Sinn mehr. Es braucht mindestens ein passendes Energiemanagement sowie Energiespeicher, Steuerung und digitale Lösungen dazu. Die Komponenten kommunizieren ja auch miteinander. Nur so können die Potenziale sich entfalten, wie beispielsweise E-Mobilität mit Strom vom eigenen Dach oder ein Zusammenschluss Eigenverbrauch (ZEV). Daher liegen Angebote aus einer Hand nahe. Sie sollten auch die Schnittstellenherausforderung zwischen unterschiedlichsten Komponenten bei der intelligenten Steuerung nicht aus dem Auge verlieren. Heizung, Jalousien, Licht und Solarstrom sind ja zunächst sehr unterschiedliche Felder. Mit einer gemeinsamen Steuerung für alle Energiebelange, sei dies Strom oder Wärme, wird eine optimale Sektorkopplung mit minimalem Aufwand erreicht. Auch die Digitalisierung des Installationsprozesses erlaubt Skaleneffekte für die Bauherren, da die Installation ohne externen Integrator aber dennoch individuell gelöst wird. Gleiches gilt für die durchgehende Digitalisierung mit SmartMetern und dem Cloud-basierten Business-Portal. Statt mehrere Anbieter zu nutzen, welche mit Reibungsverlusten aufeinander abgestimmt werden, bietet ecocoach die integrierte Lösung für Monitoring oder ZEV. Eben diese ganzheitliche Energielösung mit Gebäudedigitalisierung ist das Alleinstellungsmerkmal von ecocoach. Wir haben die Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter und Partner, die hier Lösungen bieten, um Gebäudedigitalisierung und Energiemanagement aus einer Hand zu ermöglichen.

Die dann auch modular aufgebaut sind?
Unsere Lösungen sind nicht nur modular, sondern auch skalierbar aufgebaut. Man kann mit einem einfachen Energiemanagement anfangen und dann mit einem Speicher oder einer Gebäudesteuerung weitermachen. Der Kunde kann schrittweise aufbauen nach seinem eigenen Investitionsplan. Unsere Kunden reichen von Schreinereien bis zu Spitälern oder ganzen Quartieren. Die Lösung skaliert gleichwohl für Gewerbe- als auch für Wohngebäude.

Kommen wir zu einem Referenzbeispiel. Wie sah die Ausgangslage beim Projekt in Mättivor (Schwyz) aus? Wo lagen die zentralen Herausforderungen?
Die Idee war, ein Quartier der Zukunft zu realisieren. Es ging und geht erstens darum, Energie selbst zu produzieren. Im ersten Ausbauschritt werden 50 Wohnungen realisiert. Der gesamte Ausbau umfasst dann über 100 Wohnungen. Das Ziel umfasst ebenfalls die übergeordnete Steuerung. Es geht um die Kombination von Photovoltaik-Energielösung und Gebäudeautomation. Drittens geht es um die Lösung der Abrechnungsherausforderung. Auch hier haben wir ja bei uns eine Dienstleistung mit an Bord. Strom, Wasser, Heizung – überall gibt es Messinstrumente. Die Abrechnung kann so sehr transparent gehalten werden. Damit ergibt sich ein gesamtheitlicher Ansatz von der Erzeugung zur Nutzung bis hin zur Abrechnung, eine umfassende Gebäudedigitalisierung.

Warum hat sich die Bauherrschaft so entschieden?
Die Skalierbarkeit und die angesprochenen unterschiedlichen Module, die in die Zukunft weisen, waren matchentscheidend. Die Verantwortlichen wollten sehr fortschrittlich sein, aber nicht zum Selbstzweck, sondern um für die Zukunft gerüstet zu sein. Hier spielt dann der billigste Preis nicht mehr die entscheidende Rolle.

Kann sich solch ein Vorgehen zu einem Referenzmodell, einem Leuchtturm entwickeln und warum?
Das Projekt kann Mainstream werden. Man hat am Anfang einige Investitionskosten mehr, die aber in wenigen Jahren Früchte tragen. Die Eigenverbrauch-Community wird profitieren, und das spricht sich herum.

Lassen Sie uns noch einen strategischen Blick in die Zukunft Ihres Hauses werfen. Verraten Sie uns, wohin die Reise in den nächsten Jahren geht und was Sie sich für strategische Ziele gesteckt haben.
Bei ecocoach sehen wir sehr optimistisch in die Zukunft. Wir sind im positiven Sinne fortschrittlich, und das bezeugen uns auch unsere Kunden. Wir sind mitten in einer Energiewende, die wir produktiv aufgreifen und nutzen. Der Zeitgeist ist bei uns. Wir bieten strategisch ein Komplettangebot. Nehmen wir noch ein Beispiel: Gewerbetreibende steigen gerade massiv in den Bereich E-Mobilität ein. Mit unserer Division ecovolta elektrifizieren wir Gewerbefahrzeuge und produzieren Hochleistungsbatterien. Damit treiben wir den Technologiewandel im Gewerbe vorwärts, auch hier spüren wir eine wachsende Nachfrage. Wir befinden uns in einer sehr spannenden Zeit, der Wandel ist im vollen Gang und wir sind Teil der Lösung.

www.eco-volta.com

 

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