Die Planer sind gefordert, bereits in ihren Entwürfen, die Nachhaltigkeit zu berücksichtigen. Ein schwieriges Unterfangen. Mit dem neuen Raumplanungsgesetz gibt es viele Unsicherheiten, und die Planer kämpfen mit undefinierten Gesetzesauflagen. Es liegt viel an der Gesellschaft zuerkennen, dass nur ein offenes Miteinander die Zukunft des verdichteten nachhaltigen Bauens ermöglichen kann. Urs Nüesch ist diplomierter Architekt (SIA) bei Nüesch Partner Architekten und beleuchtet für uns das komplexe Thema.
Die Nachhaltigkeit ist in der heutigen Zeit zum Inbegriff der umweltschonenden Nutzung der Ressourcen unseres Planeten geworden. Nicht nur im täglichen Leben sollten wir uns immer bewusst sein, dass jede Tätigkeit, jede Aktion und die Verwendung von Gütern nachhaltig sein sollte. Diese Handlungen sind jedoch oftmals schwer nachzuweisen. Und ob es sich auch wirklich um nachhaltiges Tun handelt, bleibt oft unklar oder schwammig – wie der Begriff selbst. Trotzdem gewinnt das Thema auch im Immobilienwesen an Bedeutung. Investoren verlangen zu Recht den Fokus auf eine Langlebigkeit ihrer Anlagen. Umweltschonende Materialien, langlebige und unterhaltsarme Konstruktionen sind nur einige der Kernpunkte der Nachhaltigkeit.
Die Planer sind gefordert, bereits in ihren Entwürfen, die Nachhaltigkeit zu berücksichtigen. Der «Fussabdruck» und die Lage der Baukörper entscheiden oftmals über die reelle Umsetzung von nachhaltigem Bauen. Die Ressource «Bauland» ist ein sehr beschränktes Gut. Die Versiegelung der Böden ein wesentlicher Faktor der langfristigen Verschlechterung unserer Umwelt.
POLITIK STEHT AM PRANGER
Und was macht die Politik? Sie diskutiert über die Umsetzung der Auflagen, welche der Bund verlangt. Sie verpasst die Fristen für Richtpläne und lässt Planer im Ungewissen stehen. Die Planer weisen jedoch auf die Zukunft ihrer umsetzbaren Projektstudien hin. Haben wir nicht an der Urne über das neue Raumplanungsgesetz ab
gestimmt? Haben wir nicht dem verdichteten Bauen den Segen gegeben? Wo sind nun die Taten, welche die Behörden als «Hausaufgabe» erhielten? Wir Planer stehen da oftmals vor undefinierten Angaben bezüglich der Rechtslage von Baugesetzen und deren Zonenplänen.
All diese Unsicherheiten lassen Spielraum für juristisches «Geplänkel». «Verdichtetes Bauen» wird zum Unwort. «Nachhaltigkeit» zur Farce. Behörden und Raumplaner scheuen den Begriff «verdichtetes Bauen», um so allfällige Partikularinteressen zu wahren. Haben wir doch mit dem neuen Raumplanungsgesetz bestimmt, dass Zentren mit ihren hervorragenden Infrastrukturen besser genutzt werden sollen und der Zersiedelung eine Sperre auferlegt werden soll.
GESETZESLAGE ZU VAGE
In den Grossstädten streitet die Politik über Teilgebiete von neuen Bau- und Zonenverordnungen. Heimatschutz und Denkmalpflege beharren auf vermeintlichem Kulturgut, und Verwaltungen hinken in der Ausarbeitung entsprechender Verordnungen hinterher.
Mit all diesen Unsicherheiten und undefinierten Gesetzesauflagen haben wir Planer zu kämpfen. Zonen werden marginal um zehn bis 15 Prozent aufgezont, Gebäudehöhen um ein Stockwerk erweitert und Grenzabstände geringfügig angepasst. Diese minimalen Anpassungen bewegen jedoch Investoren, ihren Bestand von Liegenschaften neu zu beurteilen. Mit der tiefen Zinspolitik der Zentralbanken ist oftmals der Entscheid schnell gefällt, bestehende Substanz, unabhängig vom Alter, zurückzubauen und ein Neubau mit einem Geschoss mehr und 15 Prozent besserer Ausnutzung zu realisieren.
NACHHALTIG IN DIE NÄCHSTEN DEKADEN
Ist dies nun die Nachhaltigkeit, die wir angestrebt haben? Wie sieht die Situation in 20 bis 30 Jahren aus? Stehen wir dann nicht vor der gleichen Situation, dass wir mehr verdichten müssen? So werden dann wieder Gebäude zurückgebaut und um 15 Prozent vergrössert. Keiner wird sich dann hinterfragen, ob das Bauen vor 30 Jahren nachhaltig war. Der Fokus richtet sich wie heute in die Zukunft. So sollten wir uns doch hinterfragen, ob Schritte von 30 Jahren nachhaltig sind. Sollten wir unsere Weitsicht nicht auf 60 bis 80 Jahre fokussieren und das Unwort «verdichtetes Bauen» ernst nehmen?
Einige Politiker, Behörden und Raumplaner haben sich der Sache angenommen und an peripheren Lagen von Grossstädten brach liegende Industrieareale dem Wohnnutzen zugeführt. Dies ist sicherlich ein richtiger Weg, um verdichtet und nachhaltig zu bauen. Nur, die Zentren der Grossstädte werden von Behördenseite oftmals «unter Schutz» gestellt. Alte Arbeiterquartiere und Blockrandbebauungen werden unter behördlichen Denkmalschutz gestellt und verunmöglichen so eine zukunftsorientierte Neuausrichtung für die kommenden 60 bis 80 Jahre.
UMWELTSCHONEND IN DIE ZUKUNFT
Unsere Gesellschaft mit ihren Behördenvertretern muss sich der Sache der Nachhaltigkeit auch im Bauwesen stärker annehmen. Umweltschonendes Verhalten endet nicht an dem Verzicht, mit dem Flugzeug in die Ferien zu verreisen. Umweltschonend zu agieren, ist Bauen für die nächsten drei bis vier Generationen. Einige Planer haben dies schon lange erkannt und nutzen einige Gesetzgebungen, um der Nachhaltigkeit zu dienen. Das Instrument des Gestaltungsplans ermöglicht ein eigenes «Baugesetz» zu erarbeiten, welches der allgemeinen Anpassung der Bau- und Zonenordnungen zuvorkommt.
Sie versuchen, und haben auch oftmals den Erfolg, der angestrebten Nachhaltigkeit durch Verdichtung Rechnung zu tragen. Leider scheitern auch viele gute Ansätze bereits an der Urne, da weit entfernte Partikularinteressen oder wahlpropagandistisches Parteiengehabe in den Vordergrund drängen und gute planerische Ansätze bereits im Keime ersticken.
Nur dem stetigen Drang der Planer ist es zu verdanken, dass behördliche und private Eigeninteressen, dem Ruf des nachhaltigen Bauens Rechnung getragen wird. Ökologische Bauformen, umweltschonende Ressourcen und energetisch ausgeklügelte Energienutzungen sichern das nachhaltige Bauen in der jetzigen Zeit. Es ist nun an der Gesellschaft zu erkennen, dass nur ein offenes Miteinander die Zukunft des verdichteten nachhaltigen Bauens ermöglicht.