Die Baubranche hat eine gewichtige Bedeutung für die Schweizer Gesellschaft. Die Bauunternehmen schaffen Wohnraum sowie Infrastruktur und tragen zum Umweltschutz bei. Der Schweizerische Baumeisterverband (SBV)
vertritt das Bauhauptgewerbe, den Dreh- und Angelpunkt der Bauwirtschaft. Die 50’000 Unternehmen des Bauhauptgewerbes erwirtschaften mit 90’000 Beschäftigten 23 Milliarden Franken Umsatz pro Jahr.
Autor: Dr. Martin Maniera
Der SBV setzt sich in seiner politischen Arbeit mit diesen Themen auseinander. Die Bauunternehmen leisten ihren Beitrag, etwa beim Wohnungsbau und öffentlichen Ausschreibungen, daher muss ihnen gegenüber auch Fairness herrschen und keine ungebührlichen Risiken aufgetragen werden.
WOHNUNGSBAU – DIE POLITIK IST GEFORDERT, DIE BAUBRANCHE IST BEREIT
Der bedarfsgerechte Wohnungsbau ist ein zentrales Thema in der politischen Arbeit des SBV. Vor allem in städtischen Agglomerationen zeichnet sich eine Wohnungs-Knappheit ab. Die Anzahl Baubewilligungen ist seit 2016 um 30 Prozent gesunken. Der Weg zur Baubewilligung ist zum teuren Spiessrutenlauf geworden. Im 2023 wurden schweizweit nur noch rund 43’000 Wohnungen gebaut – nötig wären 53’000. Eine grosse Angebotslücke klafft. Es besteht Handlungsbedarf! Deshalb hat sich der SBV auch am «Runden Tisch Wohnungsknappheit» von Bundesrat Guy Parmelin engagiert. Der am 13.Februar 2024 publizierte Aktionsplan enthält diverse Massnahmen, die der SBV zusammen mit Bund, den Kantonen und allen Mitwirken- den mit hoher Priorität weiterverfolgen wird.
Gerade im urbanen Raum entpuppt sich dabei die im Raumplanungsgesetz geforderte Verdichtung nach innen als grosse Herausforderung. Wer in Städten bauen will, sieht sich oft mit immer mehr Regulierungen und einer überbordenden Bürokratie konfrontiert. Allein in Zürich wird derzeit der Bau von über 1000 Wohnungen durch eine zu strikte bundesgerichtliche Interpretation der Lärmschutzregelungen verhindert. Im Rahmen der aktuellen Revision des Umweltschutzgesetzes (22’085) soll deshalb die breit anerkannte «Zürcher Lüftungsfensterpraxis» wieder eingeführt werden. Der SBV hat sich dafür engagiert, dass Wohnungen mit Komfortlüftungen als Teil der Lösung anerkannt werden. Eine rasche Inkraftsetzung des revidierten USG hat hohe Priorität.
Das Bauen in bereits bebauten Gebieten steigert die Komplexität der Projekte im Planungsprozess und erhöht das Risiko von Einsprachen. Diese haben in den letzten Jahren massiv zugenommen. Immer häufiger gibt es auch querulatorische Einsprachen, welche zwar nicht zum Erfolg führen, aber ein Bauprojekt über Jahre verzögern können. Das Postulat, das ein massvolles Kostenrisiko bei Einsprachen fordert (23’3640) ist deshalb aus Sicht des SBV ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Die Einschränkung des Verbandsbeschwerderechts (19’409) auf Bauten mit über 400 Quadratmeter Gebäudefläche ist der nächste Schritt zur Verwesentlichung der Einsprachen. Dass ISOS die bauliche Entwicklung zwar lenken, aber nicht mehr verhindern soll (23’3435) wird vom SBV ebenfalls begrüsst.
Der Bewilligungsprozess für neue Wohnungen dauert gemäss einer Studie der UBS durchschnittlich 230 Tage – 20 Prozent länger als im 2015. In der Stadt Zürich wartet man ein Jahr, in Genf gar 500 Tage auf eine Baubewilligung. Viel zu lang! Der SBV engagiert sich deshalb auf allen föderalen Ebenen für die dringend notwendige Beschleunigung der Baubewilligungsverfahren. Denn die vom Gesetzgeber vorgegebenen Fristen werden immer öfter nicht eingehalten. Das muss sich ändern. Die konsequente Digitalisierung der Baubewilligungsprozesse – von der Planung bis zur Umsetzung – ist einer der wesentlichen Ansätze für deren Beschleunigung.
NEUES BESCHAFFUNGSRECHT: DIE BAUWIRTSCHAFT STEHT VOR VERÄNDERUNGEN
Die Vergabestellen von Bund und Kantonen sind für öffentliche Beschaffungen wie etwa die Einführung einer Software in Behörden oder die Sanierung eines Schulhauses zuständig. Der Staat erbringt solche Leistungen aber meistens nicht selbst, sondern bestellt sie in der Privatwirtschaft. Dazu schreiben Bund, Kanton oder Gemeinde eine Beschaffung öffentlich aus, dabei haben private Unternehmen verschiedene Kriterien wie etwa Preis, Qualität oder Nachhaltigkeit zu erfüllen. Jenes private Unternehmen, welches die Ausschreibung am besten erfüllt, erhält den Zuschlag vom Staat. Der öffentliche Sektor ist für das Bauhauptgewerbe relevant, stammen doch 40 Prozent seines Umsatzes von staatlichen Aufträgen.
Die Vergabestellen von Bund und Kantonen beschäftigen sich zurzeit intensiv mit dem neuen Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) und der Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (IVöB 2019). Auf nationaler Ebene ist es bereits seit Januar 2021 in Kraft, auf kantonaler Ebene aktuell in rund 20 Kantonen. Bund, Kantone und Gemeinden agieren bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen nach dem neuen Gesetz, dessen Ziel der wirtschaftliche und der volkswirtschaftliche, der ökologische und sozial nachhaltige Einsatz der öffentlichen Mittel ist. So erhält neu das vorteilhafteste Angebot den Zuschlag, und nicht mehr das wirtschaftlich günstigste.
Das neue Gesetz bringt grosse Änderungen für die Bauwirtschaft mit sich In der Baubranche interessierten sich bisher nur gerade die Spezialisten für das öffentliche Beschaffungswesen, darunter Kantonsingenieure oder die für das Bauressort zuständigen Ge- meinderäte. Mit dem neuen Gesetz hat die Legislative jedoch erkannt, welche Möglichkeiten für einen besseren Umgang mit öffentlichen Mitteln bestehen. Beispielsweise dank dem Anwenden von Nachhaltigkeitsprinzipien. So interessiert sich heute ein grösserer Kreis für die öffentliche Beschaffungen.
Mehr Nachhaltigkeit, weniger Fokus auf den Preis. Die Richtung ist vorgegeben. Das bedeutet, dass wir uns vom Prinzip «80Prozent Nominalpreis, 20Prozent Qualität» lösen müssen. Die gesamte Bewertung wird nicht mehr rein vom angebotenen Preis bestimmt, sondern zunehmend von anderen, ebenfalls relevanten Kriterien wie Qualität und Nachhaltigkeit abhängen.
Der Schweizerische Baumeisterverband SBV unterstützt den Paradigmenwechsel im neuen Gesetz. Er begleitet seine Mitglieder in diesem Veränderungsprozess und setzt sich bei der öffentlichen Hand für eine KMU-taugliche Umsetzung des Gesetzes ein. Schliesslich beschäftigen die deutliche Mehrheit der Unternehmen im Bauhauptgewerbe bis zu 20 Personen. Diesen Aspekt gilt es bei der Auswahl der Nachhaltigkeitskriterien zu berücksichtigen. Wie kann eine Kleinfirma rund zehn Labels einhalten? Man wird praxistaugliche Zuschlagskriterien definieren müssen. Es braucht Testprojekte, um zu aus der Praxiserfahrung zu lernen und die Nachhaltigkeitskriterien anschliessend zu verbessern. Eine gewisse Standardisierung der Zuschlagskriterien wäre wünschenswert. Zu diesem Zweck entwickelt der SBV ein Tool zur Bewertung von Nachhaltigkeitskriterien, um potenzielle Auswahlkriterien zu erfassen und zu katalogisieren.
Und um den Austausch und den Vergleich zu fördern, führt der SBV gemeinsam mit bauenschweiz ein Monitoring des neuen Gesetzes durch. Im März 2024 wurde die vierte Ausgabe des Vergabemonitors veröffentlicht (www.bauenschweiz.ch/ de/vergabemonitor/). Die neue Richtung des Gesetzes bestätigt sich. Per Ende 2023 schlossen wichtige Indikatoren des Kulturwandels im öffentlichen Vergabewesen positiv ab. Im Vergleich zum Vorjahr wurden die Kriterien Qualitätsgewichtung (+1.1 Prozent), Nachhaltigkeit (+26.2 Prozent) sowie Dialogverfahren allesamt (+52.3 Prozent) häufiger bei Zuschlägen berücksichtigt.
UNANGEMESSENE RISIKEN NICHT AUF BAUFIRMEN ABWÄLZEN
Die beiden genannten Beispiele – Wohnungsbau und Beschaffungswesen – zeigen, dass sich das Bauhauptgewerbe stark für die Belange der Bevölkerung und des Staatswesens engagiert. Dementsprechend haben die Bauunternehmen Fairness verdient. Risiken aus Baumängeln, die in der Verantwortung von Bauherren liegen, dürfen daher nicht auf Bauunternehmen abgewälzt werden.
Im Herbst 2023 hat der Nationalrat vorläufig entschieden, die Rügefrist bei Baumängel abzuschaffen und die Verjährung auf zehn statt fünf Jahre zu befristen. Der SBV setzt sich für eine Korrektur durch den Ständerat ein.
Das Parlament passt die im Obligationenrecht festgelegten Rügefrist und Verjährungsfrist für Baumängel an. Im Herbst 2023 hat der Nationalrat vorläufige Entscheide gefällt, der Ständerat ist im Sommer 2024 am Zug.
Derzeit gilt für verdeckte Baumängel eine siebentägige Rügefrist. Der Nationalrat möchte die Rügefrist nun gänzlich abzuschaffen. Der SBV spricht sich dezidiert dagegen aus und unterstützt eine 60-Tage- Frist. Ein Baumangel geht zu Lasten des Bauunternehmens, wenn er rechtzeitig gerügt wird. Hingegen muss der Bauherr für Schäden aufkommen, wenn er den Mangel zu spät rügt. Die Rügefrist ist ein wichtiges Instrument, um allfällige Mängel frühzeitig aufzuspüren, diese Pflicht obliegt dem Bauherren. Je mehr Zeit bis zur Meldung eines Schadens verstreicht, desto schwieriger die Abgrenzung Mangel und Folgeschaden und damit die Haftungsfrage. Das wirtschaftliche Risiko der Bauunternehmen werden durch den wachsenden Wunsch der Bauherrschaft nach finanzieller Risikofreiheit über Gebühr belastet.
Zudem diskutiert das Parlament über die Verjährungsfrist für erbrachte Bauleistungen. Aus Sicht des SBV sollte die heutige Frist von fünf Jahren bleiben, der Nationalrat möchte sie auf 10 Jahre verlängern. Dieser Schritt wäre praxisfremd. So gibt es Bauteile und Bauwerke, deren technische Haltbarkeit nicht auf zehn Jahre ausgelegt ist. Die Abgrenzung zwischen Mangel und gewöhnlichen Gebrauchsspuren wäre selbst für Profis kaum möglich. Bauunternehmen müssen pro Auftrag Rückstellungen in Höhe von 15 Prozent (teils 30 Prozent) der Bausumme bilden oder den Betrag auf ein Sperrkonto überweisen. Diese erheblichen Summen binden bereits viel Liquidität, durch die Erhöhung der Verjährungsfrist auf 10 Jahre würde der Haftungsbetrag weiter steigen.
Aus den genannten Gründen setzen sich der SBV und seine kantonalen Sektionen dafür ein, dass der Ständerat die Fehlentscheidungen des Nationalrats korrigiert und in der Sommersession die Rügefrist auf 60 Tage festlegt und die Verjährungsfrist bei fünf Jahren belässt.
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