bauRUNDSCHAU

Der Steinmetz von morgen

Das Headquarter von Cosentino ähnelt einer Pyramide – hier arbeiten 300  Angestellte. Foto: Freya Mohr

Almería ist abgeschieden, trocken und nicht gerade ein florierender Wirtschaftsstandort, trotzdem hat Cosentino es geschafft, der alten Steinmetztradition neues Leben einzuhauchen. Heute sind die Natur- und Kunststeine weit über die Landesgrenzen bekannt. Die bauRUNDSCHAU war vor Ort in Almería am Hauptsitz von Cosentino.

Die Sonne blendet einem ins Gesicht. Auch Anfang September riecht es in der spanischen Provinz Almería noch nach Sommer, und die Bougain­villeas leuchten pink vor dem hellblauen Himmel. Die 3000 Sonnenstunden im Jahr machen die Region zu einer beliebten Feriendestination. Aber nicht nur: Sie machen das Land auch trocken, und die Wasserressourcen sind knapp. In den 50er-Jahren entdeckten Regisseure die Wüste von Tabernas als Filmkulisse für ihre Westernfilme. Bei uns im Wohnzimmer flackert Almería dann bei «Spiel mir das Lied vom Tod», «Der Schuh des Manitu» und «Winnetous Rückkehr» über den Bildschirm. Nicht die einzige Exportware, die es von Almería bis zu uns nach Hause schafft. Über Kilometer hinweg erstreckt sich links und rechts ein Meer aus blauen und weissen Plastikplanen – einfache Treibhäuser, unter denen Obst und Gemüse wächst. Von hier aus findet es seinen Weg in die Supermärkte und bis zu uns in die Küche: Tomaten, Gurken, Paprika. Unter den Plastikplanen kondensiert das Wasser und es bleibt konstant feucht. Im heissen Südspanien fanden die Menschen schon immer Wege, wie sie mit den knappen Ressourcen umgehen.

Tourismus und Agrikultur bilden heute zwei wichtige Wirtschaftsstandbeine in Andalusien. Lange Zeit war die Region eher vernachlässigt von der spanischen Regierung – vor allem die abgeschiedene Provinz Almería. Mit dem EU-Beitritt 1986 und unter der Regierung der PSOE flossen vermehrt EU-Gelder, und die Region blühte auf. Einen Dämpfer erlebte die Wirtschaft im Jahr 2007 durch die spanische Finanz- und Immobilienkrise. Als Resultat wird die Schnellzugverbindung AVE zwischen der Stadt Almería und Madrid seit Jahren immer wieder verschoben, und die Bauarbeiten stehen still. Bei der mautpflichtigen Fernautobahn AP-7 fehlt bis heute das Verbindungsstück zwischen Vera bei Almería und Málaga. Dafür ist die Strecke der Autobahn A-7 entlang der Küste seit 2016 durchgehend ausgebaut. Für Andalusiens Wirtschaft ein wichtiger Schritt, denn zuvor verlief das gesamte spanische Strassennetz immer über den Knotenpunkt Madrid. Auf der sogenannten Autovía del Mediterráneo fahren Touristen gen Süden, und Lastwagen bringen nicht nur Obst und Gemüse Richtung Norden, sondern auch die Natur- und Kunststeine von Cosentino.

Lange Marmortradition
Der Marmorabbau hat in Andalusien eine lange Tradition. Die Alhambra in Granada ist dafür das beste Beispiel. Die maurische Stadtburg erhielt ihr Aussehen vor allem im 13. Jahrhundert: Der Löwenhof ist mit Säulen aus prächtigem weissem Marmor aus Macael (Almería) geschmückt, und auch die Statuen des Löwenbrunnens sind aus demselben weissen Marmor. Das Unternehmen Cosentino knüpft an die Tradition des Steinabbaus an. 1979 übernahmen Francisco und Eduardo Cosentino den Steinbruch ihres Vaters in Macael und gründeten die Cosentino S. A., die heute weltweit für ihre Küchenarbeitsplatten aus Quarzkomposit bekannt ist. Aber bis dahin war es ein langer Weg. Es waren keine einfachen Startbedingungen: Die ländliche Abgeschiedenheit und geringe Wasserressourcen machen Almería nicht gerade zu einem florierenden Wirtschaftsstandort. «Es ist keine Region, in der qualifizierte Arbeiter von sich aus bleiben», weiss Florian Kammerer, General Manager der Schweizer Nieder­lassung Cosentino Swiss AG. Hinzu kam 2007 das Platzen der Immobilienblase, was der spanischen Baubranche zu schaffen machte. Einst gab es 120 Steinbrüche in der Region, nach der Immobilienkrise sind nur noch 15 geblieben. Um in Almería weiterzukommen, muss man anpacken und hart arbeiten, deswegen setzte Cosentino schon früh auf Export, Reinvestition und Innovation.

1997 eröffnete die erste Filiale in den USA. Danach kamen Standorte in Nordeuropa, Brasilien und Grossbritannien dazu – heute ist das Unternehmen auf fünf Kontinenten vertreten. So löste Cosentino sich bereits früh aus der Abhängigkeit des spanischen Marktes. Auch auf der langen Marmortradition wollten sich die Brüder Cosentino nicht ausruhen. Denn von den jährlich 100’000 Tonnen abgebautem Marmor können nur etwa 15 Prozent als Steinplatten verwendet werden. Der Rest wird zu Pulver verarbeitet und beispielsweise Zahnpasta und Farben beigemischt oder für den Strassenbau verwendet. Francisco und sein Bruder Eduardo investierten in einen Maschinenpark, um aus diesem Granulat Unmassplatten aus Marmor herzustellen. Das Prinzip funktionierte zwar, aber es gab keinen Markt für diese Platten aus Marmorgranulat. Mit Quarzkomposit hatten sie schliesslich mehr Erfolg: Sile­stone – eine Wortzusammensetzung aus den englischen Begriffen Silicia (Quarz) und stone (Stein) – ist heute eine bekannte Marke unter den Küchenarbeitsplatten.

Dem Trend voraus
Aber damit war es dem Unternehmensgründer nicht genug. Mit der Lancierung von Dekton 2013 hat Cosentino ein Material entwickelt, das sich sowohl im Aussen- als auch im Innenbereich anwenden lässt. 20 verschiedene Mineralien geben dem technologischen Material seine charakteristischen Merkmale. Zwei Produktionslinien fabrizieren 1500 Dekton-Platten am Tag, sie färben den Mineralstaub ein und entziehen ihm das Wasser. Anschliessend schneiden Roboter die Platten auf das Standardmass 320 x 144 Zentimeter zu, und ein Drucker bringt die verschiedenen Designs darauf an. Wer in die modernen Produktionshallen von Cosentino hineinblickt, merkt schnell: Der moderne Steinmetz von heute arbeitet vor allem am Computer, nur detaillierte Arbeiten finden noch von Hand statt.

Mit seinen modernen Materialien hat Cosentino seine Nische im Küchensegment gefunden und mit Dekton die Strategie auf die Innen- und Aussenarchitektur, insbesondere die Anwendung bei Fassaden, erweitert. «Wir sehen eine Revolution in den Häusern und in der Architektur. Und Cosentino ist Teil dieser Revolution», erklärt Francisco Martínez-Cosentino Justo nicht ganz unbescheiden. Die Küche ist ein gutes Beispiel hierfür: In den 90er-Jahren waren es noch die elektronischen Küchengeräte, die gefragt waren, heute ist das Design der Küche ausschlaggebend – die Küchen­arbeitsplatte spielt hierbei eine wichtige Rolle. Aber wie fördert man Innovationen? Cosentino hat schon immer viel in die Forschung und Produktentwicklung investiert. Etwa zwei Jahre dauert es von der ersten Idee eines Plattendesigns bis zur Markteinführung. Um hier richtig vorauszusehen, studieren die Produktdesigner Trends der internationalen Modemessen und reisen in der ganzen Welt umher, um vor Ort mit den Abnehmern, Architekten und Designern zu sprechen. Trends und Geschmäcker unterscheiden sich von Land zu Land – ein Material oder Design, das sich in Nordamerika gut verkauft, kommt in Europa vielleicht nie auf den Markt. Hier antwortet Cosentino auf regionale Wünsche. Das trägt im Wesentlichen dazu bei, dass heute bis zu 50 Lastwagen täglich das Werksgelände in Olula del Río verlassen und Silestone, Dekton und Natursteinplatten an 120 Standorte in der ganzen Welt liefern.

Nachhaltig in die Zukunft
Obwohl das Unternehmen international agiert, ist es tief in der Region verwurzelt geblieben. Für Francisco Martínez-­Cosentino Justo sind Almería und die Steinbrüche «seine Welt». Deswegen möchte Cosentino der Region auch wieder etwas zurückgeben. Wer mit dem Auto durch die Steinwüste bei Olula del Río und Macael fährt, entdeckt am Strassenrand immer wieder kleine Haufen aus Steinmüll. Diese Steinhügel werden mit einheimischen Pflanzen bepflanzt. Jedes Unternehmen aus der Region muss über entsprechende Rücklagen für diese Kultivierung verfügen. Auch mit den knappen Wasserressourcen weiss das Unternehmen umzugehen. Zum Schneiden der Steinplatten ist Sand und viel Wasser notwendig. «Da war natürlich meine erste Frage an Cosentino, was mit dem vielen Wasser passiert, das beim Schneiden gebraucht wird», erinnert sich Carmen Martinez Jansen, Marketingverantwortliche Schweiz, und erklärt, dass jede Produktionslinie ein eigenes Wasserfiltersystem zur Wiederaufbereitung und -verwendung des Wassers besitzt. Somit leistet Cosentino nicht nur einen Betrag zur regionalen Wirtschaft und für den Anschluss Südspaniens an den Rest der Welt, sondern auch zum Erhalt der endemischen Flora und Fauna.

www.cosentino.com/de-ch

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