Seit 2017 hat die Schweiz mit der Energiestrategie 2050 und der Ratifizierung des Pariser Klimaabkommens zwei Grundsatzentscheide gefällt: Sie will eine Politik, die die Schweiz in eine nachhaltige und erneuerbare Energiezukunft führt. Die Ziele sind klar: Ausbau erneuerbarer inländischer Energien, Steigerung der Energieeffizienz sowie massive Reduktion der Treibhausgase. Dieser Umbau des Energiesystems macht uns weniger abhängig vom Ausland und die Energieversorgung sicherer. Und er bringt auch wirtschaftliche Vorteile: neue Märkte, neue Berufe, Innovationen und Investitionen.
Die erforderlichen Technologien sind marktreif, auch wenn noch viele weitere Innovationen zu erwarten sind. Die Ampel steht also auf Grün. Doch warum entsteht der Eindruck, dass es trotzdem stockt?
Betrachten wir den Gebäudesektor:
Die 2.3 Millionen Gebäude in der Schweiz verursachen rund 50 Prozent des Primärenergieverbrauchs und gut einen Viertel der Treibhausgasemissionen. Ein Drittel des Energieverbrauchs geht auf das Konto von Heizung, Warmwasser und Klimatisierung. Die technisch-wirtschaftlichen Einsparpotenziale sind riesig und bekannt: Der Energiebedarf eines bestehenden Gebäudes kann durch eine energetische Sanierung halbiert werden. Allein indem die vorhandene Gebäudetechnik ideal aufeinander abgestimmt wird, kann der Energieverbrauch um zehn bis 15 Prozent gesenkt werden. Und der Ersatz einer Öl- oder Gasheizung durch eine erneuerbare Heizung reduziert den CO2-Ausstoss schon fast gegen null. Neubau oder Sanierung eines Gebäudes bietet daher eine grosse Chance, um den Energieverbrauch und die CO2- Emissionen zu verringern und wesentlich zu den Energie- und Klimazielen der Schweiz beizutragen.
Doch ist die Sanierungsrate mit rund einem Prozent noch immer viel zu tief. 100 Jahre, bis der bestehende Gebäudepark erneuert ist – so viel Zeit haben wir nicht! Zentrale Elemente, um die Sanierungsgrate anzukurbeln, sind regulatorische Massnahmen wie die Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn) und finanzielle Massnahmen wie die kantonalen Förderprogramme für Energieeffizienz und erneuerbare Energien sowie das nationale Gebäudeprogramm.
Doch auch die Motivation der Gebäudebesitzer durch Branchenexperten darf nicht unterschätzt werden. Ja, Architektinnen, Bauunternehmer, Installateurinnen, Sanitäre, Energieberaterinnen sind gemeint! Sie stehen mit den Gebäudebesitzern in Kontakt. Sie kennen die Situation vor Ort mit ihren spezifischen Anforderungen. Sie beraten, empfehlen, planen und setzen um. Gebäudebesitzer verlassen sich auf Ihre Meinung und Ihr Fachwissen. Sie müssen die Energiewende mittragen und keine rückwärtsgewandte Lösung vorschlagen, nur weil dies schon immer so war. Sie können mit Ihrer Arbeit einen echten Beitrag zur Energiewende leisten.
Die Energiewende braucht aber noch etwas: einen verbindlichen Ausbaupfad für erneuerbare Energien und Energieeffizienz. Jede Strategie besteht aus Ausgangslage, Ziel und Weg. Die Ziele und der Weg müssen definiert sein: mit Schritten, Verantwortlichkeiten, Terminen und Budget. Bei Abweichungen müssen Gegenmassnahmen ergriffen werden. Nur ein solcher verbindlicher Ausbaupfad schafft die notwendige Planungssicherheit für ein verlässliches Investitionsklima. Hier ist die Politik gefragt.
Gemeinsam müssen wir bei der Transformation des Energiesystems konsequent und beherzt fortschreiten. Oder wie es Georg Christoph Lichtenberg (Mathematiker, Naturforscher, erster deutscher Professor für Experimentalphysik) gesagt hat: «Ob es besser wird, wenn es anders wird, kann ich nicht sagen. Aber dass es anders werden muss, wenn es besser werden soll, ist gewiss.»