Der erste Teil des Vormittags am ersten Tag des BIM-Kongresses stand im Zeichen der Disruption. Es ging noch nicht konkret um BIM und die Baubranche, sondern um die Digitalisierung an sich. Und wie die Baubranche diese für sich nutzen könnte.
Im Zusammenhang mit der Digitalisierung fällt auch oft das Wort Disruption. Eine neue Firma – meist ein Start-up – dringt in einen bestehenden Markt ein und ersetzt oder verdrängt die grossen, etablierten Firmen. Christoph Meili, CEO der Company Factory AG, nannte hier die bekannten Beispiele wie Airbnb und Uber. In seiner Keynote am Schweizer BIM Kongress ging es dann aber nicht darum, wie sich die Baubranche vor solchen Markteindringlingen schützen kann, sondern wie bestehende Unternehmen selber zu Disruptoren werden. Also wie sie die digitale Veränderung in der Bauwirtschaft selber in die Hand nehmen.
Digitalisierung als Chance
Zentral war für ihn, die Transformation als Chance zu sehen: «Die Digitalisierung hilft, traditionelle Probleme zu lösen – es werden Unlogiken durch ein digitales Modell aufgehoben.» Um als Unternehmen diese Chancen aber wahrnehmen zu können, braucht es laut Meili eine Transformation des Geschäftsmodells, der Menschen und der Umgebung. «Klare Strategien sind heute extrem schwierig und wenig praktikabel», erklärte er und verglich neue Ideen mit Pflanzen, die die richtigen Bedingungen zum Wachsen benötigen: «Es braucht ein kleines Gewächshaus, in dem neue Ideen schnell ausprobiert werden können.» Übersetzt heisst das, dass ein Unternehmen – auch ein KMU – Innovationen aus dem Kerngeschäft auslagert, um diese schnell zu testen. Mit dem Ziel, neuen Umsatz zu generieren. Das Kerngeschäft läuft nebenbei weiter und funktionierende Innovationen werden integriert. Als Beispiel hierfür nannte Meili die Bad-Accessoire-Spezialistin Bodenschatz AG aus Allschwil, die laufend durch kleine Innovationen ihr Geschäftsmodell der Digitalisierung anpasst.
Auch für Marianne Janik, CEO Microsoft Schweiz, ging es um die Chancen, «und wenn es um Chancen geht, geht es darum, vorbereitet zu sein», erklärte sie am Donnerstagmorgen. Janik stiess zwei Punkte an: zum einen die evidente Vernetzung der Welt und zum Zweiten die Schweiz, welche genauer betrachtet eine Smart City für sie ist. Und wie ihr Vorredner griff auch sie das schnelle Ausprobieren neuer Innovation auf. Nur hatte sie eine grössere Perspektive: «In der Schweiz können wir schnell Dinge ausprobieren. Wir sind eine grosse Smart City. Und diese Smart City Schweiz bietet Chancen, um die uns grosse Länder dieser Welt beneiden.» Laut Janik bedeutet das für die Schweiz, die richtige Infrastruktur bereitzustellen, wie schnelles Internet, G5 und Elektrizität. Gleichzeitig müssen aber auch die Unternehmen ihre Mitarbeiter mit dem ausstatten, was sie brauchen. Hierbei fielen Stichworte wie Plattform-Ökonomie, Daten und Open-Data-Strategie, Zusammenarbeit und Agilität.
An die Zukunft denken
Den Auftakt der Podiumsdiskussion machte Benoît Demierre, stellvertretender Generaldirektor und Leiter Region Mitte bei der Losinger Marazzi AG, mit den Worten: «Die Branche muss sich bewegen.» Wie die beiden Referenten verwies auch er auf die noch zu konservative Schweiz, was die Digitalisierung angeht. Dalith Steiger, Co-Founder von SwissCognitive, knüpfte hier an. Laut ihr bringen Schokolade, Käse und Uhren für die Jugend nicht den Wohlstand von morgen. Das war mal so, aber heute gilt es weiterzudenken. «Für die Jungen bauen wir die Zukunft», deutete Steiger. Für sie heisst das, sich zu überlegen, was die jungen Generationen von den Entscheidungen haben, die wir heute treffen.
Stephan Sigrist, Gründer und Leiter Think Tank W.I.R.E., setzte die Diskussion in einen gesellschaftspolitischen Rahmen. «Es braucht einen differenzierteren Blick», wendete er ein. Für ihn braucht die Digitalisierungsstrategie eine langfristige Perspektive, weil sie nicht nur die Betriebe betrifft, sondern auch Auswirkungen auf die Gesellschaft hat. Hierbei ging es ihm besonders um die Daten, die tagtäglich gesammelt werden. Wer eine nachhaltige Plattform-Ökonomie betreiben möchte, muss sich überlegen, was mit den Daten passiert, schlussfolgerte Sigrist.