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Energiewende gestalten – Neue Geschäftsfelder für Energieanbieter

Energieanbieter galten früher als Dinosaurier unter den Unternehmen. Über Jahrzehnte änderte sich nichts in den Geschäftsmodellen. Heute, im Zeichen der Energiewende, sind andere Qualitäten gefragt. Energieanbieter müssen auf Stichworte wie Smart und Share reagieren und daraus neue Geschäftsfelder entwickeln. In Basel, bei IWB, hat man vergleichsweise schnell reagiert.

Früher verlief für einen Energie­anbieter alles einfach. Es gab wenige Produkte, kaum Mitbewerber und träge Kunden, mit denen man einfach Geld verdienen konnte. Die Kommunikation lief top-down. Trauern Sie diesen Zeiten hinterher?
Ich bin persönlich seit drei Jahren bei der IWB und war früher in der freien Marktwirtschaft tätig. Ich kenne Strukturen mit Oligopolen, die Sie angedeutet haben, nicht. Der Markt für Wärmeenergien, in dem sich IWB recht erfolgreich bewegt, steht inzwischen im Wettbewerb verschiedener Energieträger und -anbieter. Und im Gross­kundensegment ist der Strommarkt schon seit Jahren geöffnet. Auf die weiteren Veränderungen der Energiemärkte sind wir vorbereitet: Wir haben im Jahr 2015 intensiv an der Strategie gearbeitet, um das Unternehmen erfolgreich durch die Umwälzungen der Energiebranche zu führen: Unsere Strategie «smart IWB 2020» soll IWB zu ­einer smarten, integrierten Energiedienstleisterin machen.

Was beinhaltet diese neue Strategie?
Es geht in den nächsten Jahren darum, das Unternehmen IWB klug und vorausschauend durch die fundamentalen Veränderungen zu navigieren, welche die Energiewirtschaft gegenwärtig erlebt. Aus diesem Wandel wollen wir gestärkt hervorgehen. Wir wollen die Vorteile unseres Querverbund-Unternehmens auf allen Ebenen nutzen.

Ich will den Druck nochmals verdeutlichen. Heute leben wir in vergleichsweise turbulenten Zeiten. Es gibt in Europa im Netz Plattformen wie Verivox, bei denen man nicht nur Krankenkassen oder Versicherungen vergleichen kann, sondern auch Energieanbieter. Seit Neustem agiert die Plattform sogar proaktiv und erinnert den Interessierten an billigere Angebote. Das ist jedenfalls in Deutschland der Fall – vermutlich auch bald in der Schweiz. Da schmilzt doch der Gewinn wie Schnee in der Sonne?
Die Energiebranche ist weltweit unter Druck, und das nicht erst seit Kurzem. Unser operatives Geschäft ist grundsolide. Stadtwerke sind und bleiben wichtige Träger und Treiber der Marktöffnung. Deshalb kommt ihnen ja auch bei der aktuellen Energie­strategie des Bundes eine zentrale Rolle zu. Es sind Unternehmen, die an der gesamten Wertschöpfungskette – von der Produktion über die Verteilung bis hin zur Endkundenversorgung – beteiligt sind. Das hat Vorteile, gerade auch in unsicheren Zeiten. Die Risiken sind besser verteilt als bei anderen Unternehmen.

Wir erleben, da liegen sie richtig, eine Phase von anhaltend tiefen Strompreisen, was viele Versorger dazu verleiten mag, sich an den Märkten vorübergehend mit billiger, nicht erneuerbarer Energie einzudecken. Doch damit nimmt man auch die Risiken des volatilen Markts in Kauf. Das ist nicht unser Weg.

Wie reagiert Ihr Haus auf solche Entwicklungen? Es gibt sicher auch neue Geschäftsfelder?
Ja, wir wollen den Vertrieb stärken, um schneller auf Marktentwicklungen reagieren und Kunden ansprechen zu können.

Es braucht eine Kundenkommunikation auf Augenhöhe?
Richtig, darauf setzen wir: Zum einen ­lancieren wir mit dem Label «IWB next» Produkte, die bereits in einer frühen Entwicklungsphase Markt- und Kundentests durchlaufen. Zum andern beziehen wir Kundinnen und Kunden in einigen Bereichen sogar in die Produktentwicklung mit ein. Auf diese Weise entstand «Basil», die wohl modernste und innovativste Smartphone-App eines schweizerischen Energiedienstleisters.

Werden wir doch an einigen Punkten konkreter. Sie setzen ziemlich massiv auf E-Mobilität. Bisher hat sich theoretisch viel und in der Praxis wenig getan. Es gibt zu wenige Ladestationen, die Batterien sind immer noch zu schwer, und die Reichweite lässt immer noch zu wünschen übrig. Last but not least sind die Autos, ausser für ein Nischenpublikum, wie bei Tesla, schlicht zu teuer. Was wird sich da in den nächsten Jahren ändern?
Es ist richtig. Seit Jahren wird immer wieder der Durchbruch der E-Mobilität prognostiziert. Anspruch und Wirklichkeit klaffen da noch weit auseinander. Wobei ich schon sehe, dass die Entwicklung in grossen Schritten vorangeht. Sie haben Tesla erwähnt. Wenn jetzt das «Model 3» auf den Markt kommt, hat Tesla einen Mittel­klassewagen. Nur durch die Ankündigung von Tesla haben andere Anbieter sehr schnell reagiert und die Reichweite ihrer Elektrofahrzeuge verdoppelt. Mit 300 statt 150 Kilometer Reichweite kann man argumentativ schon anders auftreten. Für IWB ist es der richtige Zeitpunkt, hier jetzt selbst aktiv zu werden. Sie haben die ­Ladesäulen als wichtiges Element angesprochen. Wir haben gerade ein Pilotprojekt aufgegleist, in dessen Rahmen wir öffentliche Ladesäulen ausrollen.

Konnten Sie aus ersten Fehlern schon lernen?
Wenn ich in der Nachbarschaft eine Ladesäule habe, aber nicht garantiert ist, dass ich da jederzeit mein Auto aufladen kann, weil sie von Dauerparkern besetzt ist, sinkt die Akzeptanz. Eine isolierte Ladesäule bringt wenig. Wir suchen uns gezielt öffentliche, gut frequentierte Orte wie Parkhäuser für unsere Ladeinfrastruktur und bieten damit eine gute Verfügbarkeit der Lademöglichkeiten. Es ist auch wichtig, jetzt in den Markt zu gehen, um den tatsächlichen Bedarf realistisch einschätzen zu können und auf die weitere Entwicklung rasch reagieren zu können.

Da braucht es sicher auch Partner?
Ja, mit MOVE haben wir einen der grössten Anbieter von öffentlichen Ladestationen mit an Bord. Natürlich gibt es auch schon Konkurrenten. Wir beobachten den Markt und können bei Bedarf schnell reagieren.

Und wo ist dann der Link zum Energieversorger?
Naheliegend ist er bei der Energielieferung. Zudem bietet sich vor dem Hintergrund der Marktliberalisierung und der Entwicklung der Elektro-Mobilität die Chance, bestehende Kundenbeziehungen zu festigen und neue aufzubauen.

Wer nachhaltige E-Mobilität will, braucht den Ausbau von regenerativen Energien. Wie gehen Sie das in Basel an, damit E-Mobilität nicht durch importierten Kohlestrom verschmutzt wird?
In Basel ist der Kunde in der glücklichen Situation, dass er nur erneuerbaren Strom bekommt. Zudem kommt hier ein weiteres Geschäftsfeld von uns ins Spiel. Es geht um die Förderung von dezentraler Infrastruktur. Basels Dächer bieten noch viel Potenzial für den Ausbau der Fotovoltaik-Anlagen. Und mit Angeboten wie dem Solarbox-Depot erleichtern wir den Eigenverbrauch von möglichst viel selbst produziertem Solarstrom. Die kantonale Förderung solcher Solaranlagen ist in Basel vorbildlich.

Wie kommen hier die Stichworte Smart und Share zusammen?
Smart ist für uns ein wichtiges Stichwort. Ich habe vorher das Beispiel mit den Ladesäulen erwähnt. Jetzt kann man Sharing-Modelle, die es beim Auto ja schon seit Jahren gibt, auch auf Ladesäulen ausdehnen. Sharing funktioniert aber nur, wenn es organisatorisch smarte Lösungen gibt. An diesem Punkt kommt ein Smartphone mit einer App ins Spiel. Das ist für uns inzwischen Alltag.

Technologisch ist das inzwischen kein Problem. Kunden verändern aber ihr Mobilitätsverhalten nicht so schnell, wie Sie sich das vielleicht wünschen?
Smarte, sprich intelligente, Lösungen werden den Kunden Komfort und Einfachheit bieten, da sehe ich keine Hürde. Beim Sharing-Gedanken liegen Sie richtig. Da steht noch eine Hürde vor uns. Aber auch hier werden einfache Modelle, die dann immer mehr Menschen anziehen, dazu führen, dass Anbieter, wie wir, immer effizientere Angebote machen können. Beim Thema Batteriespeicher bieten wir in Kürze einen virtuellen Speicher, dem der Sharing-­Gedanke zugrunde liegt – dabei teilen sich Kunden einen Stromspeicher in unserem Netz. Der Trend geht somit hin zu Systemen, in denen Energie dezentral produziert wird und dort zur Verfügung steht, wo sie gerade gebraucht wird.

Lassen Sie uns das an einem weiteren Beispiel durchgehen. Auch in der Schweiz steht die Energiewende auf der Agenda. Es braucht beispielsweise lokale Speicher im Quartier. Sie fassen diese und andere Entwicklungen in diesem Rahmen unter Smarte- und integrierte Energielösungen zusammen. Können Sie uns dies hier erläutern?
Viele unserer Kunden werden künftig zum Prosumer – sie sind also gleichzeitig Produzenten und Konsumenten von Energie – und entwickeln dadurch auch ganz neue Bedürfnisse. Wer zum Beispiel im Eigenheim seinen Solarstrom produziert, möchte diesen künftig mit zwei, drei Mausklicks an seine Nachbarn oder Freunde verkaufen können. Wenn ein Energieversorgungsunternehmen noch eine Daseinsberechtigung haben will, muss es hier an vorderster Kundenfront dabei sein und effizient ermöglichen, was gewünscht wird.

Können Sie uns noch ein aktuelles konkretes Projekt verraten?
Mit dem Pilotprojekt «Change38» geht IWB einen weiteren neuen Weg. Dabei arbeiten wir mit dem Startup In Situ Energy AG eng zusammen. Bei diesem Projekt setzen wir auf neue digitale Mittel, um ein erlebnisreiches Zusammenspiel bei Produktion und Konsum von erneuerbarem Strom zu ermöglichen. Über eine intuitive App haben die Mitglieder der Strom-Community von überall her Zugriff auf «Change38». Das erlaubt es den Benutzern, die lokale Herstellung von Strom samt witterungsbedingten Schwankungen zu verfolgen – und den eigenen Stromkonsum danach auszurichten und so möglichst effizient zu gestalten.

Weitere Informationen:
www.iwb.ch

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