Weil ein Grossteil der globalen Treibhausgasemissionen von der Immobilienwirtschaft verursacht wird, muss die Immobilienbranche bei der Energiewende noch mehr Gas geben, findet Michael Schwaiger, CEO der Schwaiger Group, einem Projektentwickler in München (D), der sich auf die Revitalisierung von Gewerbe- und Büroimmobilien nach energieeffizienten Standards spezialisiert hat.
Es gibt immer mindestens zwei Möglichkeiten, einen gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Wandel einzuläuten: Top-down oder Bottom-up. Was wir aktuell in Europa mit Blick auf die Klimawende erleben, ist zweifelsfrei eine Revolution von unten – getragen von Bürgern, aber vor allem jungen Bürgern, die ihre Zukunft schützen und gestalten wollen. Und genau deshalb kann dieser Wandel auch nachhaltig werden. Während die Politik immer noch phlegmatisch um einen Fahrplan ringt, tun Unternehmen gut daran, sich sektorenübergreifend eine Frage zu stellen: Wie sieht ihr Beitrag zum grossen Ziel Klimaneutralität aus? Denn eines ist klar: Wenn wir uns nur weiter so anstrengen wie bisher, schafft die Schweiz bis im Jahr 2020 eine CO2-Einsparung pro Person von drei Prozent und 13 Prozent bis ins Jahr 2035. Diese Ziele sollen im Rahmen der «Energiestrategie 2050» weiter reduziert werden. Laut der Schweizerischen Energiestiftung ist der Anteil erneuerbarer Energien für Heizung und Warmwasser bis 2050 schrittweise auf 100 Prozent zu erhöhen.
Die grossen Vorteile der Immobilienbranche gegenüber anderen Sektoren liegen auf der Hand: Es geht relativ einfach, CO2 einzusparen – und zweitens ist es nicht einmal teuer. Der Anteil der Energieeffizienz an der gesamten Kostensteigerung liegt in Deutschland bei zehn bis zwölf Prozent. Bezogen auf die gesamten Baukosten hat energieeffizientes Bauen zu einer Steigerung von nur drei bis fünf Prozent geführt. Wo liegen also die Herausforderungen, wenn Immobilien theoretisch geradezu prädestiniert dazu sind?
PROBLEM I: GEBÄUDEBESTAND GILT ALS LOW-TECH
Der grosse Hebel für CO2-Einsparungen liegt klar beim Gebäudebestand. Die 2,3 Millionen Gebäude in der Schweiz bestehen zu knapp drei Vierteln aus Wohnbauten und zu einem Viertel aus Dienstleistungs- sowie öffentlichen Bauten. Das Problem ist allerdings, dass der Gebäudebestand leider als Low-Tech gehandelt wird, während Windkraft oder Photovoltaik als High-Tech betrachtet werden, sprich, als Technologien der Zukunft. Die Gebäude an sich müssen als sexy KlimaThema propagiert werden. Da braucht es Lobbyarbeit.
PROBLEM II: ERNEUERBARE ENERGIEQUELLEN SIND ENDLICH
Ein weiteres Problem, das darauf aufbaut: Es wird viel zu wenig darüber diskutiert, wie Energie eingespart beziehungsweise der Verbrauch von erneuerbaren Energien reduziert werden kann. Der Fokus liegt weiterhin viel zu stark auf dem Aspekt der Erzeugung, sprich, wie immer mehr Strom etwa durch Wind, Solar oder Biomasse produziert werden kann. Was aber im Bewusstsein der Öffentlichkeit ankommen muss, ist die Tatsache, dass es auch nur ein begrenztes Potenzial für grünen Strom gibt. Auch erneuerbare Energiequellen sind endlich. Ob Solar-, Windkraftanlagen oder Biomasse: Es stehen nur begrenzte Flächen zur Verfügung.
ACHILLESFERSE: GEBÄUDEHÜLLE
Das grösste Einsparpotenzial liegt bei Immobilien weiterhin bei der Gebäudehülle. Wir heizen zwar unseren Raum, beheizen aber parallel dazu unsere Umwelt. Das darf eigentlich nicht sein. Rund 75 Prozent aller Gebäude wurden vor der Wärmeschutzverordnung gebaut und sind energetisch gesehen wertlos.
Knapp 50 Prozent des schweizerischen Primärenergieverbrauchs werden heute für Gebäude aufgewendet. 30 Prozent entfallen auf Heizung, Warmwasser und Klimatisierung, 14 Prozent auf Elektrizität und sechs Prozent auf die Herstellung (Bauprozesse und Baumaterialien) und den Unterhalt. Der grösste Teil der Wärmeproduktion für Gebäude erfolgt heute durch Öl- und Gaskessel. Der Gebäudesektor ist für 27 Prozent der Schweizer CO2 -Emissionen verantwortlich. Entsprechend prioritär muss die Energieverbrauchs- und CO2-Reduktion in diesem Bereich mit neuen Technologien vorangetrieben werden.
NICHT GEGENEINANDER, SONDERN MITEINANDER
Am Ende funktioniert die Energiewende bei Immobilien immer aus der Kombination der drei Systeme: Gebäudehülle, Anlagentechnik und Umstellung auf erneuerbare
Energien in der Versorgung. Diese drei Pfeiler stehen zu oft im Wettbewerb. Die Devise muss aber lauten: nicht gegeneinander, sondern miteinander. Denn eines ist klar: So notwendig der Wandel ist, so nachhaltig wird er gerade von der Jugend gefordert. Wenn wir heute im Immobiliensektor nicht radikal umdenken und umstellen, bauen wir für die Tonne. Denn: Nicht energieeffiziente Gebäude werden in wenigen Jahren vom Markt verschwinden. Alles andere wäre unverantwortlich.