Autor: Andreas Breschan
«Schade, hatte nicht ich diese Idee? Das wäre eigentlich nicht so schwierig gewesen. Das hätte ich auch gekonnt.» Auch schon mal diese Gedanken gehabt? Ich schon. Und wenn Sie jetzt «Ja, genau, schon öfter mal» sagen, dann sind wir in guter Gesellschaft. Der Schweizer Mundartrocker und Büezerbueb Marco Pfeuti, besser bekannt als Gölä, hatte genau diesen Gedanken einmal in einem Interview ausgedrückt. Er bezog sich dabei auf den Hit «Heimweh» von Plüsch. Logisch: Schoggi, Berge, Walliser Rotwein – wäre eigentlich nicht so schwierig gewesen, als Urschweizer darauf zu kommen und aus diesem sentimentalen Mix einen Mundart-Hit zu formen.
Aber eben – wäre. Der eine hat’s einfach gemacht. Der andere hat das Offensichtliche nicht gesehen und guckt zu, wie ihm gerade «Heimweh» Hitparadenplätze für seinen «Büezer»-Song kostet. Neues Phänomen? Denkste! Das weltberühmte Ei des Kolumbus lieferte bereits im 15. Jahrhundert den Beweis dafür. Ach ja, wie war das noch mal mit dem Ei des Kolumbus? Hier eine kleine Gedächtnisstütze: Wir schreiben das Jahr 1493. Christoph Kolumbus, der Entdecker Amerikas, ist zurück in Spanien. Während eines Essens bei Kardinal Mendoza wird ihm vorgehalten, dass es ein Leichtes gewesen sei, diese «Neue Welt» zu entdecken, das hätte jeder vollbringen können. Anstatt sich über diese Schikane zu ärgern, soll Kolumbus gekochte Eier an den Tisch gebracht und alle Anwesenden herausgefordert haben, ein Ei auf die Spitze zu stellen, ohne dass es umfällt. Das hat natürlich keiner geschafft. Kolumbus tat das Offensichtliche. Er drückte die Spitze eines Eis ein und stellte das Ei auf den Tisch. Es blieb da ruhig stehen. Als die Anwesenden einwendeten, dass sie das auch gekonnt hätten, soll Kolumbus geantwortet haben: «Der Unterschied, meine Herren, ist, dass Sie es hätten tun können, ich hingegen habe es getan!» Jede weitere Erklärung war überflüssig.
Ok, coole Story. Aber was hat das mit modernem Management zu tun? Dass Macher im Business die Nase vorn haben, brauche ich wohl nicht zu erklären. Und über Methoden, wie man vom Zauderer zum Macher wird, wurde schon mehr als genug referiert und geschrieben. In einer Welt, in der wir förmlich in Information – und immer mehr in Desinformation – ertrinken, fällt es allerdings zunehmend schwer, das Offensichtliche zu erkennen und es zu tun. Gesunder Menschenverstand wird benebelt, das Bauchgefühl mit KI wegrationalisiert. Ganz zu schweigen davon, genügend Zeit zu finden, durch Momente der Ruhe und Beobachtung das Offensichtliche zu sehen. Damit verhält es sich eben wie mit dem Ei des Kolumbus. Es ist logisch und jeder weiss es, aber tun wir es auch?
Da kommt mir unweigerlich der legendäre Slogan «Just Do It» von Nike in den Sinn. Die Aussage, die dahintersteckt, ist so einfach wie effektiv: Staune nicht darüber, wie sportlich andere sind. Mach’s einfach. Fang heute damit an. Und übrigens, der Erfinder dieses Super-Slogans, Dan Wieden, führte den Slogan auf die letzten Worte des zum Tode verurteilten Gary Gilmore zurück: «Lasst es uns tun.» Einfach nur aufmerksam beobachtet und schnurstracks umgesetzt. Es ist genau diese Qualität, die uns heute vielleicht wieder mehr Klarheit und Erfolg im Management bringt. Ich bleibe dabei. Wirklich Gutes und Neues entsteht nicht in erster Linie durch KI. Heute nicht und auch in Zukunft nicht, sondern durch gesunden Menschenverstand, der es ermöglicht, das Offensichtliche zu sehen.
In diesem Sinne sage ich: Let’s do it. Mehr Kolumbusse braucht die Welt.
