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Licht ist nicht sichtbar

Andreas Gut

Licht macht sichtbar. Ein gegebenes, natürliches Faktum. Die vermeintliche Selbstverständlichkeit wandelt sich in Staunen, wenn man der komplexen Prozesse gewahr wird, die Sichtbarkeit erst möglich machen.

Das von einer Lichtquelle abgestrahlte Licht wird von einem Objekt aufgrund seiner spezifischen physikalischen Eigenschaften entsprechend reflektiert, durch den optischen Apparat des Auges gebrochen und auf die Netzhaut übertragen. Die dort entstehenden Lichtreize werden dann in Nervenreize umgewandelt und an das Gehirn geleitet und
dort in eine Bildempfindung umgewandelt, um dann in Sekundenbruchteilen mit unseren eigenen, internen Erfahrungsbildern abgeglichen und ausgewertet zu werden. Je nach Ergebnis dieses Abgleiches werden spezifische Impulse an den Körper weitergeleitet. Diese können Gefühle wie Wohl- oder Unbehagen, Glück, Überraschung, Abneigung etc. auslösen
und so unsere Akzeptanz des gesehenen Raumes wesentlich beeinflussen.

Gleichzeitig werden durch das Licht zusätzliche Rezeptoren im Auge angeregt, welche mit dem biologischen System des Körpers verbunden sind, welches wiederum zirkadiane  Rhythmen wie Schlaf-Wach- Zyklen, unsere innere Uhr, Hormonausschüttungen und vieles
mehr steuert. Diese Vorgänge laufen meist vollkommen unbewusst in uns ab.

Unser Körper hat sich über Jahrmillionen an das Tageslicht und die visuelle Umgebung  angepasst. Erst vor gut 100 Jahren hat das elektrische Licht in unseren Alltag Einzug gehalten. Wir sind seither nicht mehr abhängig vom Tageslicht und können zu jeder Tages- und Nachtzeit all unseren Tätigkeiten nachgehen. Unser Arbeits- und Freizeitverhalten hat sich damit stark verändert. Die Tageslicht-Aufnahme hat dabei rapide abgenommen. Wir verbringen heute im Durchschnitt fast 90 Prozent unserer Zeit in Gebäuden und erhalten so nur noch wenig direktes Tageslicht. Unser Körper ist physiologisch und biologisch jedoch
noch derselbe – er lebt sozusagen noch in der «Steinzeit». Und auch unsere emotionalen Verhaltensmuster sind nach wie vor evolutiv geprägt.

Lichtgestalter sind demzufolge gefordert, eine Lichtsituation zu entwerfen und zu planen, welche nicht nur die visuellen, sondern auch die biologischen und emotionalen Bedürfnisse der Raumnutzer abdeckt. Dies kann nur gelingen, wenn Tages- und Kunstlicht auf die Architektur und die geplanten Materialien, Farben sowie Oberflächen fein abgestimmt werden. Wenn die Raumnutzungen und Bedürfnisse der Nutzer klar sind. Wenn dafür gesorgt wird, dass ein sinnvoller Tageslicht- Blendschutz sowie blendfreie Leuchten mit
einer guten Farbwiedergabe-Qualität eingesetzt werden. Wenn Lichtfarben unter
Berücksichtigung von Nutzungen und Bedürfnissen definiert werden und nicht nur
das Licht, sondern auch der Schatten und Dunkelräume bewusst geplant werden

Wenn zu guter Letzt auch noch ein kluges Konzept zur Beleuchtungssteuerung vorliegt, welches ideale Lichtszenen definiert und eine Feinjustierung vor Ort stattgefunden hat, dann kann Licht auch Konzentration und Motivation fördern, Erholung unterstützen, aber auch anregend sein und sogar gesundheitlich positive Auswirkungen auslösen.

Vor diesem Hintergrund kann es als fahrlässig bezeichnen werden, wenn sich die Planung von Beleuchtungsanlagen auf die Sehaufgabe und höchste Energieeffizienz beschränkt. Es ist Zeit, dass Bauherren und Architekten auch beim Licht ihre Verantwortung wahrnehmen und die Chance nutzen, Gebäude zu realisieren, in welchen Tages- und Kunstlicht guttut. Für eine wahrhafte Sichtbar

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