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Mehr Gas für die Sonne?

David Stickelberger ist Geschäftsführer von Swissolar.

Natürlich müssen wir mehr «Gas geben» beim Ausbau der Solarenergie. In der Schweiz sind weniger als zwei Quadratmeter PV-Module pro Bewohner installiert – wir müssen 20-mal mehr bis 2050 haben, um Atomkraft und fossile Energien zu ersetzen. Der Platz dazu  ist vorhanden, hauptsächlich auf unseren Dächern und Fassaden, aber auch über Parkplätzen, auf Stauseen und vielen anderen Flächen.

Doch mit dem Titel soll etwas anderes angesprochen werden: Die Schweizer Gasbranche macht zurzeit intensiv Werbung für ihren Energieträger und stellt ihn als unverzichtbar für die Energiewende hin. Sie verweist auf Biogas und synthetische Gase, die schrittweise
das klimaschädliche Erdgas ersetzen sollen. Schauen wir uns die Argumente genauer an: Biogas deckt zurzeit rund ein Prozent des Gasbedarfs der Schweiz ab, das Ausbaupotenzial
ist klein. Spannender ist die Möglichkeit, Strom aus erneuerbaren Energien mittels Elektrolyse für die Wasserstoffproduktion einzusetzen und dadurch eine speicherbare Energieform zu schaffen. Wasserstoff kann eingespiesen in kleinen Mengen in das Gasnetz eingebacht oder er kann in Kombination mit CO2 zu Methan (entspricht Erdgas) umgewandelt werden. In einem weiteren Schritt können damit auch flüssige Treibstoffe  hergestellt werden. Jeder dieser Schritte führt allerdings zu einem Umwandlungsverlust.

Wasserstoff kann somit zu einem Schlüssel zur Energiewende werden. Einige wollen ihn gar aus Erdgas herstellen und das dabei freiwerdende CO2 irgendwo versenken. Blauer Wasserstoff wird das genannt – wohl kein brauchbarer Beitrag zum Kampf gegen die Klimakatastrophe angesichts der hohen Kosten, des Energieaufwands und der technischen Hürden des «Carbon Capture and Storage». Grüner Wasserstoff hingegen wird mit erneuerbaren Energien erzeugt und kann deren unregelmässige Produktion ausgleichen.  Das gilt beispielsweise für die Photovoltaik: Bei 20-mal mehr Photovoltaik in der Schweiz
gegenüber heute – das entspricht einer Leistung von 50 Gigawatt – fallen im Sommer über Mittag Produktionsspitzen an, die weit über dem Verbrauch liegen. Allerdings wird niemals die Maximalleistung anfallen, denn nicht alle Anlagen sind gleich ausgerichtet und nicht überall scheint die Sonne. Werte über 70 Prozent der Maximalleistung werden praktisch nie erreicht, und auch kleinere Produktionsspitzen fallen nur während kurzen Zeiten an. Grosszügig geschätzt könnte mit diesem überschüssigen Solarstrom maximal 20 Prozent jener Menge Methan erzeugt werden, die heute importiert wird.

Daraus ergibt sich, dass der heutige Gasverbrauch der Schweiz nur zu einem Bruchteil durch Biogas und Synthesegas substituiert werden kann. Der Weiterbetrieb des heutigen Gasnetzes ist damit nicht mehr möglich, entsprechend müssen grosse Teile des Netzes
stillgelegt werden. Gas wird zu einem wertvollen Produkt, das nur dort eingesetzt werden darf, wo es keine Alternative gibt. Dazu zählen insbesondere die Industrie, beispielsweise die Stahlproduktion oder andere Einsatzbereiche hoher Temperaturen – davon haben wir
in der Schweiz nicht viele, aber hier braucht es eine länderübergreifende Sichtweise. Im Weiteren der Flug-, Schiffs- und Schwerverkehr, die Wärmeversorgung in historischen Stadtzentren sowie Reservekraftwerke, wenn die Kombination von Wind, Sonne und Wasserkraft mal nicht genügend Strom liefert.

Einige hoffen, dass zukünftig die Golfstaaten Wasserstoff aus Solarkraftwerken statt Erdöl nach Europa liefern werden. Das dürfte aber noch einige Zeit dauern, und auch diese Energie werden wir für die genannten Zwecke einsetzen müssen, aber sicher nicht zum Heizen und Autofahren!

www.swissolar.ch

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