Trotz aller Unkenrufe sind Familienunternehmen in der Schweiz erfolgreich. Das gilt auch für die Alpnach Schränke AG, die in der schwierigen Möbelbranche unterwegs ist. Wie kann man hier gegen die grossen Player bestehen? Mit konsequenter Spezialisierung und Qualität. Jeder Schrank und jedes Stauraummöbel ist ein Unikat, welches in der hauseigenen Manufaktur in Alpnach im Kanton Obwalden gefertigt wird.
Ihr Geschäftsmodell bezieht sich auf Möbel, die in alle Ecken und Winkelpassen. Ist das eine passende Zusammenfassung?
Ja, ich kann das sogar auf einen Slogan herunterbrechen: «Stauraumlösungen nach Mass».
Das klingt jetzt aber fürchterlich nüchtern, fast schon bieder.
Nein, das ist es überhaupt nicht. Es geht darum, wie Sie Ihre Alltagsgegenstände optimal verstauen können und die Möbel platzsparend und ästhetisch im Raum integrieren. Das ist eine sehr praktische Angelegenheit, braucht immer wieder innovative Ideen und sieht gleichzeitig gut aus.
Ihr Haus war, von seiner Geschichte her, auch ein Unternehmen, welches Möbel am Fliessband hergestellt hat. Es ging um Standardware. Sehe ich das richtig?
Korrekt. Das waren Wohnzimmermöbel, Garderoben und Schränke in klar definierten Grössen und Ausführungen. Es ging um Normschränke für Frau und Herr Schweizer.
Das Leben war ja eher von Standards geprägt und es gab noch nicht die riesigen Möbelhäuser und den blauen Riesen mit dem gelben Schriftzug.
Richtig. Da mussten wir in den letzten Jahren radikal umschwenken. Seit über zehn Jahren spezialisieren wir uns auf Stauraumlösungen nach Mass. Schrank-Serien in grossen Mengen, welche exakt identisch ausgeführt sind, gibt es kaum mehr – nicht einmal in grossen Überbauungen. Selbst dort weichen die Einbaulösungen von Wohnung zu Wohnung ab.
Das ist die pure Fokussierung auf die individuellen Wünsche des Kunden?
Ja, wobei definierte Standards elementar sind. Bei jeder Beratung und Planung gehen wir auf die Kundenwünsche ein, sodass eine Lösung entsteht, welche die Bedürfnisse voll und ganz abdeckt. Gleichzeitig stimmen wir die Machbarkeit auf unsere Produktionseinrichtung ab. Die konstruktiven Details planen wir so, dass wir unserem hohen Qualitätsanspruch gerecht werden. Also kann es sein, dass wir nicht ganz jeden Wunsch bis ins Detail erfüllen – dies jedoch mit guter Begründung.
Lassen Sie uns die Veränderungen noch etwas genauer fassen. Liegt es auch daran, dass unsere Wohnungen heute kaum mehr reine Funktionsräume haben und die Übergänge eher fliessend sind? Und zweitens: Hilft Ihnen bei der Produktion von individuellen Möbeln auch die Digitalisierung?
Bei beiden Punkten liegen Sie richtig. Einerseits ist das Bedürfnis nach Individualisierung gewachsen, was sich auch in der Innenarchitektur zeigt. Andererseits hat die Digitalisierung neue Möglichkeiten geschaffen, um individuelle Stauraumlösungen effizienter zu planen und zu fertigen. Ich will noch einen dritten Grund mit auf den Weg geben. Bekanntlich werden die Quadratmeterpreise immer teurer. Gerade in urbanen Räumen ist dies der Fall. Da muss jeder Quadratzentimeter optimaler und besser genutzt werden – auch in puncto Stauraum.
Können Sie uns da Beispiele nennen, damit uns praktische Lösungen vor Augen geführt werden?
Schauen Sie sich den Raum unter den Treppen an. Meist bleibt dieser leer. Wir haben dafür Lösungen. Oder nehmen Sie Dachgeschosswohnungen. Unter den Dachschrägen bleibt üblicherweise viel Dachraum ungenutzt. Diesen Platz kann man nutzen und es sieht auch noch gut aus. Es geht um das Füllen von Nischen. Löcher im Raum machen meist keinen guten Eindruck.
Wenn ich den Schrank im klassischen Möbelhaus oder beim blauen Riesen kaufe, dann habe ich fast immer oben, rechts und links Luft. Wertvoller Raum bleibt so ungenutzt.
Aber auch Ihre Schränke beruhen auf Grundrastern?
Wir haben ein Raster. Dieses bezieht sich auf drei Höhen, drei Tiefen und acht Breiten. Das ist unsere Basis, die aber sehr flexibel genutzt werden kann.
Lassen Sie mich das auch hier an Beispielen verdeutlichen. Wir hatten im Rahmen des Bärentower-Baus in Bern den Auftrag, die Inneneinrichtung zu gestalten. Der Umfang bildete 150 Wohnungen mit knapp berechnetem Grundriss und wenigen Stauraummöglichkeiten. Mit unseren Standard-Elementen fanden wir eine optimale Lösung. Dadurch konnten wir den Planungsaufwand und die Herstellkosten geringhalten und dem Auftraggeber eine attraktive Lösung bieten.
Andererseits haben wir grad kürzlich eine Villa in Fribourg mit Stauraumlösungen im Wert von 150’000.– CHF bestückt. Diese Lösungen sind so individuell – da ist kein Grundraster mehr erkennbar. Der Fokus liegt auf individuellen Details.
Individuell sind auch Ihre Schränke gestaltet. So bildet das Z-Element den seitlichen Abschluss des Einbauschranks. Was steckt hier dahinter?
Es geht um eine Verjüngung auf der rechten und/oder linken Seite. Der Schrank wirkt dadurch leichter und es kann auch aus Platzgründen praktischer sein.
Mit welchen Materialien arbeiten Sie?
Das sind in erster Linie hochwertige Holzwerkstoffplatten, die mehrfach beschichtet, belegt oder furniert sind. Dazu kommen Farblackierungen nach RAL oder NCS oder spezielle Beläge aus unterschiedlichen Metallen
oder Glas.
Jetzt gibt es heute sehr unterschiedliche Geschmäcker. Der Zeitgeist lässt viel zu – von nüchternem skandinavischem Design bis zum opulenten Landhausstil. Was verlangen Frau und Herr Schweizer?
Nach meinem Eindruck stehen hier praktische Gründe im Vordergrund. Wenn ein dunkler Boden die Grundlage der Atmosphäre ist, arbeitet man lieber mit hellen Tönen bei der Möblierung. Ganz klare Zeitgeistvorstellungen haben die wenigsten Kunden. Es gilt zu überlegen, was wie passt. Hier kommt unsere Beratungskompetenz in unseren acht Niederlassung zum Zug. Wir sind aber auch beim Kunden vor Ort.
Vor 100 Jahren gab es einen modernen Aufbruch. Ein Beispiel ist die Frankfurter Küche und die ganze Bauhauskultur. Sieht gut und nüchtern aus, ist aber auch praktisch. Das war der Abschied von der barocken Fin-de-Siècle-Kultur. Gibt es heute ähnliche Brüche?
Nein, die sehe ich so nicht. Ich sehe aber grosse Unterschiede. Die Einrichtung im erwähnten Bärentower ist modern, nüchtern und praktikabel. In einer Villa kann es sehr viel verspielter und opulenter zugehen. Da finden Sie Profilstäbe oder Reliefstrukturen oder arbeiten mit Spiegeln, die einen verzierten Rand haben.
Diese Unterschiede spiegeln sich auch in den unterschiedlichen Auftraggebern wider. Auf der einen Seite haben wir es mit Generalunternehmen oder Architektinnen und Architekten zu tun. Auf der anderen Seite geht es meist um private Auftraggeber.
Seit Monaten sind wir mit einer Pandemie konfrontiert. Wir haben uns in der Folge in unsere Häuser zurückgezogen und neue Bäder und Küchen gekauft. Es gab viele Branchen wie den Einzelhandel, die massive Verluste hinnehmen mussten und staatliche Hilfen benötigten. Es gab aber auch, ich spitze das mal etwas zu, Krisengewinner, die mir in meinen vier Wänden weiterhelfen konnten, die Pandemie mental abzufedern. Wie ordnen Sie Ihr Haus ein?
«Bleiben Sie zu Hause» hat bei uns der Bundesrat gesagt. Folglich haben die Leute wenig Geld für die Ferien ausgeben können. Auch Kino, Sportveranstaltungen und Theater waren eher eine schwierige Angelegenheit. Restaurants haben schwer gelitten. Das Geld wurde im Rahmen der eigenen vier Wände ausgegeben. Wir wollten uns in unserem Kokon geborgen fühlen. Ja, wir gehören als «Innenausbauer» zu den Gewinnern der Krise.
Auch das zunehmend hybride Arbeiten dürfte Ihnen in die Karten spielen?
Home-Office-Lösungen brauchen zusätzlichen Raum. Oft sind wir dann in Zimmern, die jetzt mehrfach genutzt werden – beispielsweise als Gäste- und als Arbeitszimmer.
Insgesamt läuft die Baubranche immer noch ganz gut …
Sie sagen es. Viele Branchen klagen jedoch über Lieferengpässe und hohe Energiekosten. Wie sieht das bei Ihnen aus?
Wir sind schon von Lieferengpässen betroffen. Bei einigen Produktgruppen wie Beschlägen haben wir es sogar mit Kontingentierungsmassnahmen zu tun. Da kommt keine Freude auf. Wir müssen dann auf andere Handelswege zurückgreifen. Daraus resultieren fast immer höhere Kosten.
Wichtig ist, dass wir jetzt bei den Prozessen in der Produktion, aber auch im Verkauf und Office noch schlanker werden. Hier gilt es, den Hebel anzusetzen.
Trotzdem: Wichtig ist es, langjährige Partnerschaften weiter zu pflegen, Preisanpassungen abzuwägen und nicht wegen weniger Rappen Differenz den Lieferanten zu wechseln.
Was wird sich in den nächsten Jahren in Ihrer Branche tun? Gibt es bald Möbel aus dem 3-D-Drucker?
Ja, darüber habe ich mir auch schon Gedanken gemacht. Es beginnt hier aber nicht mit Science-Fiction, sondern ganz praktisch. Möbel auf Rollen haben für mich Zukunftspotenzial. Wir werden immer mobiler und benötigen immer wieder neue Szenarien. Dazu brauchen wir Stabilität vom Material her. Gleichzeitig muss es noch nachhaltiger und noch etwas leichter sein.
Das Szenario einer Just-in-time-Produktion, welche direkt durch den Kunden ausgelöst wird, indem die digitalen Bestelldaten direkt an die Produktionsmaschinen fliessen, ist ebenfalls denkbar. Hier gibt es aber noch ein paar Hürden zu nehmen.
Building Information Modeling (BIM) ist bei uns noch kein Thema, da wir die letzten in der Wertschöpfungskette sind. Aber auch hier gilt es, vorbereitet zu sein. Dagegen stehen bei uns 3-D-Brillen vor dem Einsatz. Die Herausforderungen liegen auf dem Tisch.
Da kann ich nur viel Erfolg wünschen.