Photovoltaik spielt in der Energiestrategie des Bundes eine tragende Rolle. Da stellt sich die Frage, ob Photovoltaik auch für das Ziel von Netto-Null-Treibhausgasemissionen eine Rolle spielen kann – und wenn ja, welche. Widmen wir uns zunächst dem CO2-Fussabdruck von Solarstrom. Aus jüngsten Publikationen der Arbeitsgruppe «Ökobilanzen Photovoltaik» der Internationalen Energieagentur zur Umweltbilanz von Strom aus Photovoltaikanlagen aus dem Jahr 2021 kann entnommen werden, dass die Treibhausgasemissionen pro Kilowattstunde Strom aus optimal ausgerichteten Photovoltaikanlagen in der Schweiz heute bei zwischen 26 und 43 Gramm CO2-eq liegen. Die Herstellung der Panels sowie die sich meist in China und weiteren asiatischen Ländern befindlichen Lieferketten der kristallinen Solarzellen tragen am meisten zum Fussabdruck bei. In den letzten zehn bis 15 Jahren konnten die spezifischen Emissionen mehr als halbiert werden – und dies trotz der Tatsache, dass in dieser Zeit ein Grossteil der Produktion und der Lieferketten nach China und in weitere asiatische Länder abgewandert ist.
Welche Rolle können gebäudeintegrierte Photovoltaiksysteme bei sogenannten Netto-Null-Gebäuden spielen, also bei Gebäuden, die in Erstellung und Betrieb genauso viel CO2 aus der Atmosphäre entnehmen, wie sie Treibhausgasemissionen verursachen. In einem vom Bundesamt für Energie und dem Amt für Hochbauten der Stadt Zürich finanzierten Forschungsprojekt wurden Ökobilanzen von gebäudeintegrierten Photovoltaiksystemen untersucht. Die Ergebnisse sind klar: Gebäudeintegrierte Solaranlagen können den CO2-Fussabdruck von Gebäuden zwar senken helfen, aber die Treibhausgasemissionen der Erstellung und des Betriebs des Gebäudes nicht ausgleichen. Solaranlagen entziehen der Atmosphäre kein CO2. Für Gebäude mit Netto-Null-Treibhausgasemissionen sind aber CO2-Entnahmen im Ausmass der durch Erstellung und Betrieb emittierten Mengen an Treibhausgasen erforderlich. CO2-Entnahmen aus der Atmosphäre werden durch Negativemissionstechnologien erreicht. Im Bauwerk können Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen verbaut werden. Damit die CO2-Entnahme klimawirksam ist, braucht es für den in diesen Baustoffen enthaltenen biogenen Kohlenstoff eine rechtlich verbindliche Zusicherung, dass der Kohlenstoff während mehrerer 1000 Jahre nicht wieder in die Atmosphäre emittiert wird. Auch das Verbauen von mineralischen Baustoffen mit forciert recarbonatisierten Zuschlagstoffen kann helfen, einen Teil der Treibhausgasemissionen auszugleichen. Erste Abschätzungen zeigen, dass Massnahmen am Gebäude in den seltensten Fällen ausreichen, um alle Treibhausgasemissionen auszugleichen und damit Netto-Null-Emissionen zu erreichen. So bleibt der Einkauf von Zertifikaten, die für die Entnahme und das permanente Endlagern von CO2 aus der Atmosphäre ausgestellt wurden (und nicht wie heute üblich für CO2-Emissionsreduktionen oder temporäres Speichern durch Aufforsten).
Welche Aufgaben verbleiben der Solarindustrie? Gebäudeintegrierte Photovoltaiksysteme können und sollen weiter optimiert werden, um die Menge der durch Negativemissionstechnologien auszugleichenden Treibhausgasemissionen auf ein Minimum zu beschränken. Einerseits gilt es zu klären, wie viel Ertragsverlust aus Gründen der Ästhetik toleriert werden soll. Ästhetische Massnahmen wie Einfärben oder Montage auch auf der Nordseite und unter Erkern und Balkonen wirken sich negativ auf den Ertrag aus und vergrössern damit die Fussabdrücke pro Kilowattstunde erzeugter Strom. Anderseits gilt es, den CO2-Fussabdruck wie auch den Umweltfussabdruck von Photovoltaikpanels und ihren Lieferketten weiter zu senken, und zwar aller Photovoltaiksysteme, nicht nur der gebäudeintegrierten. Auch gilt zu beachten, dass neben dem Umweltfussabdruck auch dem Landschaftsschutz Beachtung zu schenken ist. Gebäude- und bauwerkintegrierte Solaranlagen (an Staumauern und an Lawinenverbauungen im alpinen Raum) sind die geeignete Alternative zum Bau grosser Solarkraftwerke auf unberührten Alpwiesen.