Zwei Tage geballte Informationen an der diesjährigen Nationalen Photovoltaik-Tagung, die vor allem eines klarmachten: Die Schweiz hat keine Stromlücke und sie braucht schon gar keine neuen Atomkraftwerke. Das Land hat vielmehr genug Sonnenschein, um Solarenergie zur zweiten Säule der Energieversorgung neben der bewährten Wasserkraft zu machen. Das allerdings braucht einen gegenüber jetzt verfünffachten Ausbau der Photovoltaik – wie auch das Wachküssen der Wärmekraft der Sonne.
Es waren Dutzende von Referenten und ganz wenige Referentinnen, die an den nationalen Photovoltaik-Tagen in Bern Ende März die Meilensteine auf dem Weg zu einer solaren Schweiz aufzeichneten. Hier eine Auswahl, beginnend mit dem Abschlussredner, dem hoch dekorierten Becquerel-Preisträger Christophe Ballif, der am CSEM in Neuenburg Solarforschung auf Weltniveau betreibt. Er zeigte auf, dass eine radikale Solarstrategie – zuvor schon von Swissolar-Präsident und SPNationalrat Roger Nordmann skizziert – von den Kosten her gesehen weit günstiger als alles andere im Bereich der Energieversorgung zu haben ist. Der Zubau von 45 Gigawatt Solarleistung würde 22 Milliarden Franken erfordern, verteilt über die kommenden Jahrzehnte. Die Kostenersparnis rührt dabei vor allem von den vermiedenen Importausgaben für fossile Energien und gilt im volkswirtschaftlichen Sinne.
Speichern mit Gas
Marko Topic, Vorsitzender European Technology & Innovation Platform PV und UniDozent aus Slowenien stimmte mit Ballif überein: Das Solarzeitalter habe eben erst begonnen. Und es geht unter anderem deshalb schwunghaft weiter, weil sich auch ergänzende Techniken etablieren, so etwa die Speicherung von Energie aus Sonne- und Windkraftanlagen in Gasform. Michael Sterner aus Deutschland leitet eine diesbezügliche Forschungsstelle Energienetze und Energiespeicher. Er hat die Power-toGas-Technologie entwickelt sowie erste Anlagen gebaut. Gibt es davon in seiner Heimat unterdessen bereits über 50, sind es in der Schweiz erst ganz wenige. Aber diese Anlagen stehen bereits an der Schwelle der Kommerzialisierung – und gelten als vielversprechendste Speichermöglichkeit erneuerbaren Stroms – auch für den Winter.
Geforscht wird an der Power-to-Gas-Technologie sowie an anderen Speichertechnologien ebenso hierzulande, etwa an der Hochschule für Technik Rapperswil. Für Professor Markus Friedl ist die Energiespeicherung denn auch die grosse Herausforderung der Energiestrategie 2050. Übliche Batterien stellen für ihn die Speicherung über kurze Zeiträume sicher – was Powerto-Gas für die längere Frist ermöglicht.
Ein Leuchtturmprojekt
Eric Langenskiöld von Basler & Hofmann erläuterte an der PV-Tagung seine Erfahrungen der saisonalen Speicherung im Mehrfamilienhaus in Brütten ZH (erstellt auf Initiative der Umweltarena Spreitenbach). Seit Sommer 2016 ist das Haus von Mietern / innen bewohnt. Es bezieht seine gesamte Energie ausschliesslich aus der PVFassade und dem PV-Dach und hat weder Stromanschluss, noch werden andere Energieträger wie Gas, Holz oder Öl zugeführt. Und: Es funktioniert! Nicht nur dieses Pilotprojekt mit einer vollständigen AutarkieLösung illustriert den Gang der Dinge bezüglich Speicherung von Solar- oder Windstrom – für den Schweizer Marktführer Helion ist das Segment der Batteriespeicher (ohne aufwendige Wasserstofflösungen wie in Brütten) zwar noch ein Nischenmarkt, aber einer in voller Entwicklung – vor allem an der Preisfront mit ständig sinkenden Preisen.
Unterschiedliche Sichtweisen
Ein Technologiesprung ist, wie die PVTagung zeigte, auch im Handel und der Vermarktung von Strom zu erwarten. Dabei kommen die 3-D-Systemveränderungen zum Tragen: Dekarbonisierung (als Abkehr von fossilen Energieträgern), Dezentralisierung (der Erzeugung von Energie) und Digitalisierung. Letztere bezieht ihren Schub unter anderem von der Blockchain-Technologie, der Robert Bühler das Potenzial zuspricht, gleich den ganzen Energiehandel zu übernehmen, also ähnlich wie im Finanzsektor die bisherigen Drehscheiben (die Banken) auszuschalten. Bühler half das Start-up-Unternehmen Agile Wind Power aufzubauen und ist heute CEO der PeerEnergy AG, welche nichts weniger als den weltweiten Energiemarkt zu revolutionieren gedenkt.
Fast schon naturgemäss ist da Michael Frank, Direktor des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE), zurückhaltender. Er plädierte – im Gegensatz zu nicht wenigen Tagungsteilnehmern – für eine vollständige Marktöffnung, die gerade auch den Erneuerbaren zugutekommen soll und parallel dazu für genügend Investitionsanreize für die Erstellung neuer Anlagen sorgen würde. Immerhin bemerkenswert, wie der VSE unterdessen die Energiestrategie mitträgt und damit den erneuerbaren Energien eine bedeutsame Rolle in der künftigen Versorgung zuspricht. Von wegen Versorgungssicherheit: Vertreter des Bundes machten erneut klar, dass Strommangellagen oder Blackouts (von gewissen Kreisen in letzter Zeit immer wieder heftigst beschworen) weit und breit nicht in Sicht seien.
Die Energiestrategie bezieht sich bekanntlich nicht nur auf die Stromversorgung. Nullenergiegebäude sollten vielmehr Pflicht sein, so Stefano de Angelis und Maria Mazza von jenem Architektenteam, das im Tessin entsprechend bemerkenswerte Gebäude errichtet hat. Solche Gebäude verfügen in der Regel nicht nur über Photovoltaik- oder Solarwärme-Anlagen auf den Dächern und eine ausgeklügelte Haustechnik. Vielmehr erfolgt die Energiegewinnung auch über die Fassaden, was völlig neue Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet. Building Integrated Photovoltaics (BIPV) ist denn auch jene Technologie, die CH-Produzenten selbst im Bereich der Modulfertigung wieder auf die Sprünge helfen soll. Da kann gemäss Francesco Frontini vom Tessiner SolarforschungsInstitut SUPSI auch die Schweiz zumindest im europäischen Massstab wieder eine bedeutende Rolle spielen.
Umsetzung in der Praxis
Auch das hat viel mit den hiesigen Forschungsaktivitäten zu tun, die vorstehend bezüglich der Tätigkeit von Professor Christophe Ballif Erwähnung fanden, sich aber nicht auf ihn allein reduzieren lassen. Von Bedeutung ist künftig etwa der Einsatz von PV-Systemen mit bifazialen Modulen. Deren doppelseitige Absorption des Sonnenlichts ermöglicht Stromerträge mit «zwei Höckern», wie Forschungsleiter Harmut Nussbaumer von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Winterthur (ZHAW) illustrativ erläuterte. Sie sind unter anderem etwa besonders für den Einsatz im Winter bei tiefer stehender Sonne (dafür von Osten und Westen her beschienen) oder auch in den Alpen geeignet.
Von allgemeinem Interesse sind die Erkenntnisse zur Langlebigkeit von Solarmodulen. Mauro Caccivio, ebenfalls vom SUPSI in Canobbio, berichtete von der Solar-Photovoltaik-Anlage TISO-10, die im Jahre 1982 (als eine der ersten sogar in Europa) an das Stromnetz angeschlossen wurde. Seither wurde ein Satz von 18 Referenzmodulen im Laufe der Jahre regelmässig im Labor getestet – immer mit Bezug zu den Ausgangswerten von 1982. Mit anderen Worten: Die Module liefern nach mehr als 35 Jahren immer noch Strom in beachtlichem Ausmass.
In der Umsetzung von Forschungsresultaten ist trotz aller Negativmeldungen bezüglich des wirtschaftlichen Gedeihens das Thuner Unternehmen Meyer Burger (MB) weiterhin Spitze. Forschungsleiterin Bénédicte Bonnet- Eymard machte klar: Innovation allein genügt nicht, jedes Produkt muss sich auch am Markt behaupten sowohl in Hinsicht auf den Preis wie auch auf den Ertrag und die Einsatzfähigkeit. MB erreichte das in jüngster Zeit mit den neuesten Produktionsanlagen für Hochleistungs-Hétérojonction-Siliziumzellen wieder besser.
Wenn am Anfang dieses Berichts der 17. Na tionalen PV-Tagung der Schlussreferent erwähnt wurde, so sei es am Ende nun umgekehrt. Einleitend hatte der Berner SVP-Regierungsrat Christoph Neuhaus die Ablehnung des Berner Energiegesetzes ausdrücklich bedauert und daran erinnert, dass es in der SVP bezüglich Energie- und Klimafragen auch andere Stimmen gibt. «Jeder in Erneuerbare investierte Franken ist ein gut investierter Franken in die Zukunft», so Neuhaus – allerdings mochten insbesondere Berner Tagungsteilnehmer ihrem Regierungsrat diese Aussage nicht ganz abnehmen, hatte er doch die Vorlage nicht mit der gleichen Vehemenz im Abstimmungskampf unterstützt.
Anmerkung
Dieser Artikel wurde im Auftrag von Swissolar, Schweizerischer Fachverband für Sonnenenergie geschrieben.