Im Zusammenhang mit der Digitalisierung der Baubranche wird BIM als eine der vielversprechendsten Technologien angesehen. Bauunternehmen lokalisieren darin grosse Chancen. Dennoch läuft die Umsetzung in der Schweiz noch nicht so schnell wie in anderen europäischen Ländern.
Building Information Modelling, kurz BIM, ist das aktuelle Zauberwort, wenn in der Baubranche über Digitalisierung gesprochen wird. Die digitale Lösung, um mithilfe von Software sowohl Planung und Ausführung als auch die Bewirtschaftung von Bauwerken zu optimieren, ist eine der meistgenannten digitalen Neuerungen der letzten Jahre. Bei BIM-Modellen werden alle relevanten Daten eines Gebäudes digital erfasst, kombiniert und modelliert. In einem Computermodell wird das Bauwerk zudem geometrisch visualisiert – es entsteht der sogenannte «digitale Zwilling».
BIM findet heute in sämtlichen Bereichen der Bauplanung und Bauausführung wie Architektur, Ingenieurwesen, Tiefbau, Städtebau oder Eisenbahnbau Anwendung. Durch die Offenheit der Modelle ist BIM zudem auch im Betrieb und im Unterhalt von Gebäuden von grossem Nutzen. In vielen Ländern hat deshalb die Popularität von BIM im Zuge der allgemeinen Digitalisierung, gepaart mit gesetzlicher Unterstützung, exponentiell zugenommen. Durch die erwiesene Effizienz wurde die BIM-Technologie zum zentralen Trend in der Baubranche. Aus einer Nischenoption wurde sie zum Hauptbaustandard.
BIM in der Schweiz
In Europa ist die BIM-Nutzung auf dem Vormarsch. Ein vom Digitalisierungsexperten PlanRadar erstellter Ländervergleich zwischen acht europäischen Ländern ergab ein stark heterogenes Bild, da die Fortschritte in der Verbreitung und aktiven Nutzung von BIM in Bauprojekten sehr unterschiedlich sind.
In der Schweiz wird BIM seit 2015 angewendet. Allerdings geben heute nur gerade 20 Prozent der Schweizer Bauunternehmen an, BIM regelmässig bei Projekten zu nutzen. Damit liegt die Schweiz unter dem europäischen Durchschnitt. Rund 70 Prozent der Bauunternehmen vertreten aber die Meinung, dass BIM in Zukunft eine noch wichtigere Rolle einnehmen wird. Allerdings sind eben auch 75 Prozent der Befragten der Ansicht, dass die meisten Betriebe auf einen umfassenden Einsatz der Technologie noch nicht vorbereitet sind.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Ein wesentlicher Aspekt ist, dass die Schweiz kulturell bedingt sehr fragmentiert ist. So gibt es bei Planung, Bau und Betrieb von Gebäuden viele unterschiedliche Herangehensweisen, was die Durchsetzung einheitlicher Arbeitsmethoden erschwert. Um die Nutzung von BIM weiter voranzutreiben, wurde im Aktionsplan «Digitale Schweiz» der Bundesverwaltung festgelegt, dass ab 2021 sowohl der Bund als auch alle bundesnahen Betriebe die BIM-Methode für Immobilien verpflichtend anwenden; ab 2025 gilt dies auch für Infrastrukturanlagen.
In der Vorreiterrolle
Während in vielen Ländern BIM noch in den Kinderschuhen steckt, ist der Vorreiter in Sachen BIM bereits seit rund vier Jahrzehnten damit vertraut. Grossbritannien gilt als Pionier in der BIM-Technologie. Eines der ersten BIM-Projekte war der Umbau des Flughafens Heathrow in den 1980er-Jahren. Entscheidend bei der Entwicklung von BIM sind oft staatliche Interventionen und Investitionen.
So wie die Schweiz aktuell innerhalb der Bundesverwaltung die BIM-Nutzung bei gewissen Projekten vorschreibt, ist das in Grossbritannien bereits bei allen staatlichen Projekten Pflicht. Eine einfache Nutzung von BIM reicht aber nicht aus. Vorgeschrieben ist das zweithöchste Level von vier BIM-Reifegraden. Dieses Level entspricht einer fortgeschrittenen digitalisierten Zusammenarbeit. Das bedeutet, dass verschiedene Spezialisten und Teams mit ihren Programmen in denselben BIM-Modellen interagieren und so eine weit implementierte, digitale Zusammenarbeit pflegen.
Wenig überraschend liegt Grossbritannien im von PlanRadar durchgeführten Ländervergleich unangefochten an der Spitze der Rangliste: Ganze 80 Prozent der britischen Unternehmen verwenden BIM in ihren Projekten. Dahinter folgen Deutschland (70 Prozent) und Frankreich (60 Prozent).
Ausgeprägte BIM-Förderung
Obwohl BIM in Frankreich relativ weit verbreitet ist, gibt es noch keinen BIM-Standard in französischen Gesetzen. Dennoch wird die Technologie staatlich gefördert. Dank eines BIM-Plans soll ab 2022 die Nutzung noch besser in die Arbeitsabläufe integriert werden. Allerdings gibt es, ähnlich wie hierzulande, Schwierigkeiten bei der Adaption aufgrund unterschiedlicher Programme und uneinheitlicher Formate.
Auf den Spuren Grossbritanniens befindet sich Deutschland. Bereits im Jahr 2017 wurde BIM für Grossprojekte ab 100 Millionen Euro verpflichtend. Seit 2020 gilt das für sämtliche öffentlichen Aufträge, die den Bau von Bundesinfrastruktur oder infrastrukturrelevanten Gebäuden betreffen. Neben Vorschriften existieren in Deutschland zusätzliche Förderungsmassnahmen. Einerseits will das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) KMU bei der Umstellung finanziell unterstützen und andererseits wird die Umsetzung von BIM durch die Gruppe «Planen Bauen 4.0», die von Verbänden und Unternehmen der Branche gegründet wurde, aktiv unterstützt.
Die Schweiz ist nicht allein
Wie die Schweiz hinkt auch Österreich in der BIM-Nutzung noch etwas hinterher. So wird BIM lediglich von den «Big Playern» der Branche verwendet. Meist kommt BIM bei staatlich geförderten oder grossen kommerziellen Bauvorhaben zum Einsatz. Die BIM-Nutzung ist zwar ebenfalls bei Ausschreibungen und öffentlichen Bauaufträgen obligatorisch, ein Gesetz, das die Anwendung von BIM noch breiter durchsetzen wollte, konnte jedoch nicht verabschiedet werden. Die Entscheidung, ob und wie BIM verwendet wird, liegt weiterhin im Ermessen der Auftraggeber von Projekten.
Die Unterschiede in der BIM-Nutzung hängen also einerseits von der staatlichen Förderung der Technologie, andererseits aber auch von Faktoren wie Bevölkerungsgrössen, Bau-Ökosystemen und den vorhandenen Budgets, die generell für Investitionen in Technologien zur Verfügung stehen, ab. Die fortschrittlichsten Unternehmen der einzelnen Länder haben wahrscheinlich untereinander mehr gemeinsam als mit Unternehmen im eigenen Land, die bezüglich der BIM-Nutzung noch nicht so weit sind.