Die Pandemie und ihre weitreichenden Folgen zum Beispiel auf Lieferketten und Materialkosten beschäftigen die Schweizer Baubranche auch noch im Jahr 2022. Trotzdem blicken die meisten Akteure positiv in die Zukunft.
Die Schweizer Bauindustrie wurde von den Pandemie-Auswirkungen anfangs zwar schwächer getroffen als andere Branchen; je länger diese fortwirken, desto mehr wird sie allerdings von den indirekten Folgen beeinträchtigt: erhöhte Materialpreise, Probleme mit Lieferketten und weniger Bedarf an Büro- und Gewerbeimmobilien, um nur einige zu nennen.
Zum Ende des ersten Pandemiejahres 2020 war der Druck auf das Baugewerbe gross, die Stimmung am Markt verschlechterte sich. Anfang 2021 konnte dann aber bereits im ersten Quartal ein Umsatzwachstum von 5.9 Prozent verzeichnet werden – ein überraschend vielversprechender Start, auch wenn der Wert immer noch unter dem des Vorkrisenjahrs 2019 lag. Dieser positive Trend setzte sich fort und in der zweiten Jahreshälfte 2021 lag das Bauvolumen sogar wieder über Vorkrisenniveau. Das zeigte sich auch in einer Umfrage der Olmero AG unter Hunderten Akteuren der Schweizer Baubranche. Von allen Befragten schätzten über 60 Prozent der Unternehmen die Anzahl der Auftragseingänge im zweiten Halbjahr 2021 als «sehr gut» oder «gut» ein. Gerade einmal elf Prozent aller befragten Unternehmen waren unzufrieden mit den Auftragseingängen.
2020 – das verrückte Corona-Jahr
Trotz aller Bemühungen und vergleichsweise normaler Abläufe blieb ein mittelfristiger Wachstumsknick nicht aus. Zu Beginn der Pandemie wurden in einigen Regionen kurzzeitig die Baustellen geschlossen, was aber nur einen geringen Effekt auf die Bautätigkeit hatte. Je länger die Pandemie andauerte, desto mehr wurde die Bauindustrie Opfer der indirekten Folgen: erhöhte Materialpreise, Probleme mit Lieferketten, eine stark gesunkene Nachfrage nach Büro- und Gewerbeimmobilien. Folglich mussten einige Bauunternehmen Kurzarbeit anmelden,
Projekte wurden verzögert oder verschoben, Lieferketten waren unterbrochen. Ende 2020 stand die Baubranche unter Druck.
2021 – die Aufholjagd
Überraschend vielversprechend startete die Schweizer Baubranche dann aber ins Jahr 2021. Bereits im ersten Quartal 2021 konnte ein Umsatzwachstum von 5.9 Prozent gegenüber dem Vorjahr verzeichnet werden, was jedoch immer noch unter dem Wert des Vorkrisenjahrs 2019 lag. Der positive Trend konnte bis ins zweite Halbjahr 2021 fortgesetzt werden und das Bauvolumen lag nun endlich wieder über dem Vorkrisenniveau. Auch die Unternehmen haben diesen positiven Trend zumindest teilweise gespürt. 27 Prozent der befragten Unternehmen konnten eine Verbesserung der Geschäftslage vom ersten Halbjahr ins zweite Halbjahr verzeichnen, während 53 Prozent die Geschäftslage als unverändert einstuften. Dass Unternehmen der Schweizer Baubranche aber grundsätzlich wieder positiver eingestellt waren als noch im Jahr 2020, zeigte sich deutlich daran, dass unter allen Befragten, wie schon angedeutet, über 60 Prozent die Anzahl der Auftragseingänge im zweiten Halbjahr 2021 als «sehr gut» oder «gut» einschätzten. Gerade einmal 11 Prozent aller befragten Unternehmen waren unzufrieden mit den Auftragseingängen.
2022 – zurück zur Normalität?
Obwohl das Jahr 2021 besser abgeschlossen wurde als erwartet, bleiben einige Unsicherheiten bestehen. So ist die Situation im Wohnungsbau unklar. Kurzfristig ist die Anzahl der Baugesuche zwar stark angestiegen, da viele Menschen ihre Wohnungen und Häuser umbauen respektive ausbauen möchten. Es ist jedoch unklar, ob es sich dabei nur um ein vorübergehendes Phänomen aufgrund der Corona-Krise oder um eine nachhaltige Entwicklung handelt. Die durch die Olmero AG für das «Baubarometer» getätigte Umfrage zeigt, dass 29 Prozent der Unternehmen eine weitere positive Entwicklung für das erste Halbjahr 2022 erwarten und dabei auch davon ausgehen, ihre Kapazitäten zum Beispiel hinsichtlich der Mitarbeitenden ausbauen zu können. Demgegenüber stehen 18 Prozent der Unternehmen, die eine negative Entwicklung der Auftragseingänge erwarten, und 53 Prozent geben an, von einer unveränderten Auftragslage auszugehen. Gerade bei den Erwartungen für das erste Halbjahr 2022 gibt es jedoch deutliche Unterschiede bei den verschiedenen Marktakteuren. Ausführende Unternehmen und Architekturbüros sind mit ihren Erwartungen für das erste Halbjahr deutlich positiver gestimmt als Generalunternehmen und Hersteller und Händler von Bauprodukten. Der Krieg in der Ukraine kommt seit Ende Februar als belastendes Momentum hinzu, wobei die Auswirkungen noch nicht abzuschätzen sind. Die schon angesprochenen Schwierigkeiten dürften sich noch verstärken. Stefan Creus, CEO der dima & partner AG, betont dann auch folglich: «Preise und Lieferbarkeit von Materialien sind momentan herausfordernd. In dem Umfeld ist es verständlich, dass Unternehmen Pauschalen vermeiden und Preise beziehungsweise Termine unter Liefervorbehalt stellen möchten. Um dennoch den Projekterfolg sicherzustellen und um Bauverzögerungen oder Kostenüberschreitungen zu vermeiden, sind nun alle Akteure
besonders gefordert.»
Probleme mit langem Zeithorizont
Die unterschiedliche Beurteilung der verschiedenen Marktakteure kann mit den langfristig weiterbestehenden Problemen gut erklärt werden: Die hohen Materialkosten bereiten insbesondere den Generalunternehmen,
Herstellern und Händlern von Baumaterialien Probleme. Betroffen sind vor allem Holz- und Stahlprodukte, Kunststoffrohre, Dämmplatten und bearbeitete Natursteine. Preisschwankungen von über 50 Prozent in kurzer Zeit sind keine Seltenheit. Ausserordentlich schwierig war die Lage in den letzten Monaten auf dem Holzmarkt, auf dem die Preise aufgrund von Holzknappheit in bisher nicht gekanntem Tempo stiegen. Auf dem Weltmarkt stiegen die Holzpreise innerhalb eines Jahres um über 200 Prozent. Auch Anfang 2022 ist die Situation unbefriedigend und die hohen Materialkosten wurden von 59 Prozent der befragten Unternehmen als ein Problem identifiziert. Die Preissteigerungen sind aber nur eines der aktuellen Probleme der Baubranche. Noch gravierender sind Lieferverzögerungen bei Produkten. Zwei Drittel der befragten Unternehmen gaben dies als Problem an. Während in der Schweiz die Baustellen während der Pandemie grösstenteils in Betrieb blieben, wurde die Produktion von Baumaterialien in der Krise an vielen Orten ausgesetzt, was zu mühsamen Verzögerungen und Unsicherheiten in den Lieferketten geführt hat. Daher bilanziert Markus Schulte, CEO der Olmero AG: «Lieferbarkeit ist nicht mehr selbstverständlich. Die aktuelle Situation verlangt nach Flexibilität in der Auftragsvergabe und im Projektmanagement.»
Verstärkt wird die Materialknappheit zusätzlich durch eine hohe Nachfrage nach Rohstoffen aus den USA und China und durch die allgemeine Aufstockung von Warenlagern durch Unternehmen und Staaten, um für eine erneute Krise besser gerüstet zu sein. Gleichzeitig wurde das globale Frachttransportsystem durch Corona massiv gestört: In vielen Ländern kam es durch die weitreichenden Beschränkungen
und Grenzschliessungen zu Zugangsverweigerungen, Kapazitätsengpässen beim Personal und einem Mangel an Equipment, das für die Abfertigung benötigt wurde. Es kann laut Experten noch Jahre dauern, bis der dazumal weltweit fein abgestimmte Rhythmus wieder die frühere Funktionalität erreicht.