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Bauen mit Brettspe

Blick auf einen der vier neungeschossigen Brettsperrholztürme der Wohnüberbauung «Via Cenni» in Mailand.

Holz als Baustoff ist nicht neu und erlebt seit einigen Jahren wieder eine Renaissance. Seit der Jahrtausendwende kommt international eine neue Spielart des Bauens mit Holz in Fahrt: die Brettsperrholzbauweise. Sie könnte auch in der Schweiz künftig vermehrt einen Beitrag dazu leisten, den Marktanteil des ökologisch sinnvollen Holzbaus auszuweiten – denn damit werden Bauwerke möglich, die bislang dem Massivbau vorbehalten waren.

Was haben die beiden Überbauungen «Dalston Lane» im Londoner Stadtteil Hackney und «Via Cenni» in Mailand gemeinsam? Es handelt sich bei beiden um hohe Holz-Wohnbauten der letzten Jahre im urbanen Raum. Zudem die Grössenordnung: Beide umfassen um die 120 Wohnungen. Und noch etwas haben die beiden Projekte gemeinsam: Sie sind aus Brettsperrholz entstanden, einem Newcomer der Werkstoffentwicklung, der in der Schweiz noch relativ selten in Erscheinung tritt, international aber von Erfolg zu Erfolg eilt.

Brettsperrholz besteht aus mindestens drei Lagen Schnittholz, die rechtwinklig zueinander
verklebt sind. In der Regel ist es Nadelholz, das dafür verwendet wird: Fichte und Tanne, aber auch Föhre oder Douglasie. Aus Schweizer Werken kommen je nach Hersteller Brettsperrholzplatten mit einer maximalen Elementbreite von 3.4 Metern und bis 14 Meter Länge. Ihre Dicke geht von sechs Zentimeter bis zu 40 Zentimeter. Durch die kreuzweise Anordnung der Lagen trägt das Material in zwei Richtungen.

Durch die Verbindung solcher Elemente entstehen kastenförmige Raumtragwerke für sehr leistungsfähige Tragstrukturen – auch solche, die in anderen Holzbauweisen kaum bewältigbar wären. Damit führt das Brettsperrholz den Holzbau an Objekte heran, die bis jetzt nur in Beton und Stahl möglich waren: eben zum Beispiel grosse und hohe Wohn- oder Bürogebäude in der Stadt, bei denen auch schwierige Randbedingungen aus Belastungen wie Erdbeben zu meistern sind, grosse Gewerbebauten und Hallen – oder auch Brücken.

Ein Kind der Neunzigerjahre
Aufgekommen ist dieses Material erst in den Neunzigerjahren, und zwar etwa gleichzeitig in Deutschland und Österreich, wo sehr viel in seine Entwicklung investiert worden ist. Und das Brettsperrholz hat dem Baustoff Holz ab der Jahrtausendwende die Tür an vielen Orten auf dem Globus geöffnet, besonders da, wo nicht bereits eine so hoch entwickelte  Holzbaukultur vorhanden ist wie beispielsweise in der Schweiz. Denn die Brettsperrholzbauweise ist in der Planung und auf der Baustelle sehr einfach zu handhaben.

Ein wetterfester Rohbau ist sehr schnell erstellt, da Tragwerk und Hülle aus grossflächigen,
vorgefertigten Elementen entstehen, aus denen Öffnungen für Fenster und Türen einfach ausgeschnitten werden – bereits bei der Fertigung der Elemente im Werk oder auf der Baustelle. Vorgegebene Raster sind bei der Brettsperrholzbauweise nicht einzuhalten. Und Begrenzungen der Bauteile ergeben sich lediglich aus den Produktionsund Transportmassen. Die Anforderungen an Statik, Brandschutz und Bauphysik sind mit Brettsperrholz oft einfacher zu erfüllen als in anderen Konstruktionsweisen mit Holz. Das luftdicht verbaute Material schwindet und quillt mit seinen kreuzweisen Lagen kaum, und seine Masse hilft gegen Überhitzung und Schallübertragung.

England als Vorreiter in Europa
Auch in der Schweiz ist ab den Neunzigerjahren die Produktion von Brettsperrholz angelaufen und verzeichnet eine kontinuierlich steigende Tendenz, allerdings in viel kleinerem Massstab als in Deutschland und Österreich. Und auch im Bauwesen hat es das Material bei uns noch etwas schwer. Zwar stösst man immer wieder darauf, dass es für Teile von Bauten – Decken oder Wände – gewählt wird, und dies durchaus auch mit sehr grossem Materialverbrauch. Doch von A bis Z in Brettsperrholzbauweise erstellte Gebäude sind in der Schweiz nach wie vor recht dünn gesät, vor allem solche im grösseren Massstab Die Brettsperrholzbau-Musik spielt vor allem im angelsächsischen Raum: in England, das ein «Early Adopter» war, und in Nordamerika. «Die Brettsperrholzbauweise hat in der Schweiz tatsächlich Mühe, sich Gehör zu verschaffen», sagt Andrea Bernasconi. Er muss es wissen: Denn der Bauingenieur, der an der Haute Ecole Spécialisée de Suisse Occidentale HES-SO lehrt und im Tessin ein eigenes Büro führt, das viele anspruchsvolle Projekte bearbeitet, hat nicht nur in seinem Heimatkanton Bauten vom Einfamilienhaus bis zum Wohn-Mehrgeschosser mit Brettsperrholz realisiert, sondern er kann die hiesige Resonanz auf das Material auch mit dem Ausland vergleichen, wo er ebenfalls damit arbeitet.

Vermehrt Holz statt Beton?
In Mailand hat Bernasconis Büro die zu Beginn erwähnte Überbauung «Via Cenni» geplant, die 2013 fertiggestellt wurde. Die «Via Cenni» ist ein Aushängeschild des heutigen urbanen Holzbaus. Sie umfasst vier neungeschossige Türme, die untereinander durch zweigeschossige Gebäude verbunden sind. Das Gebäudeensemble verwendet das Material Brettsperrholz nicht nur für die tragende Konstruktion, sondern auch konsequent für Treppenhäuser, Treppenläufe und Aufzugsschächte. «Das Bauen mit Brettsperrholz hat einen entscheidenden Vorteil», sagt der Fachmann. «Der Punkt ist: Wenn der Planer auch im Holzbau in Flächen denken kann – und das geht eben mit Brettsperrholz –, bietet sich Holz die Chance, sich bei sehr anspruchsvollen Projekten mit Erfolg gegenüber konkurrierenden mineralischen Bauweisen zu behaupten. In der Schweiz ist die Rahmenbautradition aber so fest verankert, dass Alternativen kaum Fuss fassen können», sagt Bernasconi. «Das Bauen mit Brettsperrholz hat auch in der hoch entwickelten Holzbaulandschaft der Schweiz Potenzial», hält der Ingenieur jedoch fest. Bernasconi betont: «Eben grad da, wo andere Holzbauweisen an ihre Grenzen kommen. Aber es braucht wohl noch einiges an Überzeugungsarbeit, um diese Bauweise als sinnvolle
Erweiterung des ‹Schweizer Normalfalls› zum Fliegen zu bringen.»

Ligum-Einführung für Bauplaner
Lignum hat im September 2020 ein umfangreiches Heft in ihrer technischen Reihe «Lignatec» publiziert, das Schweizer Ingenieure und Architekten in die  Brettsperrholzbauweise einführt und dabei auf die Angebotspalette hiesiger Hersteller fokussiert. Denn Brettsperrholz aus Schweizer Holz verstärkt die bekannten CO2-Vorteile
des Materials noch. So zeichnen sich Produkte aus hiesigem Holz insbesondere durch kurze Transportwege aus.

Das neue Lignatec «Brettsperrholz aus Schweizer Produktion» vermittelt die Grundlagen
der Bauweise anhand von Bemessungstabellen, einfachen Rechenbeispielen und konstruktiven Lösungen. Angesichts des Trends zu einheitlichen Querschnittsaufbauten
haben sich die als Industriepartner an der Publikation mitwirkenden Schweizer Anbieter auf Standardquerschnitte und Standardlamellendicken geeinigt. So werden produktübergreifende Vordimensionierungshilfen möglich, die im Heft wiedergegeben werden.

www.lignum.ch

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