Einfamilienhäuser sind langweilig. Dieses Vorurteil bekommen wir oft bestätigt, wenn wir die Neubauten in ihren üblichen Klötzchen überall, wie Pilze aus dem Boden schiessen sehen. Es geht aber auch anders. Die «Häuser des Jahres» beweisen mit innovativer Baukunst das Gegenteil. Der Sieger kommt aus Österreich und sieht nur auf den ersten Blick wie eine simple Scheune aus.
Architektur ändert sich glücklicherweise nicht so rasch wie Damenmode oder Autodesign. Dennoch verführt der alljährlich, nunmehr zum fünften Mal ausgelobte Preis «Häuser des Jahres» unvermeidlich dazu, die turnusmässige Ausbeute zu bilanzieren: Was war anders? Gibt es Tendenzen, Schwerpunkte, Entwicklungen auszumachen? Setzen sich Bauweisen, Typologien oder bestimmte Materialien durch? Aber das Verfallsdatum muss man noch suchen.
Dennoch entdeckt die Jury jedes Jahr ein subjektives Bild, wie man in Österreich, der Schweiz und in Deutschland wohnt, zumindest wie sich das Wohnen auf den eingereichten Arbeiten abbildet. In manchen Jahren waren es Vorlieben für bestimmte Möbel, die immer wieder wie verabredet auf den Fotos auftauchten. Gerne auch Kinder, die der aufgeräumten neuen Umgebung ungeniert den Beweis wohnlich-legerer Familienfreundlichkeit geben sollten.
Was uns dagegen an den Häusern der 225 abgegebenen Beiträge aufgefallen ist, war die solide Qualität. Es gab weniger avantgardistische Ausreisser, aber auch weniger durchschnittliche Arbeiten, deren Verfasser nur mal auf gut Glück eine Einreichung probiert hatten. Beherrschend war ein Mittelfeld aus gelungenen Häusern, die man sich an vielen (anderen) Orten wünschte. In ländlichen Gegenden wurde häufig auf eine Gartenanlage verzichtet, man wollte das Artefakt-Haus bewusst in die unveränderte und weiter gedeihende Natur platzieren. Die Baubeschriebe dokumentierten einen hohen Standard, es ist inzwischen fast unnötig, auf bestimmte Dämm- oder Heizkoeffizienten eigens hinzuweisen. Wenn es irgendwie geht, versuchen Architekten, die Schlichtversion eines Wärmedämmverbundsystems zu vermeiden. Handwerklichkeit liess sich oft glaubhaft an den gestochen scharfen Fotos ablesen. Toleranzfugen und Leisten werden zunehmend von nahtlosen Anschlüssen abgelöst. Natürliche, massive Materialien ersetzen synthetische Baustoffe. Klar, Zementestrich oder Eichendielen – kann sich noch jemand an PVC-Böden oder Teppichfliesen erinnern? Bauherrschaften, die sich mit ihren subjektiven Wohnwünschen an einen Architekten wenden, sind wohl weniger für das Heimwerkersortiment der Baumärkte anfällig. Was ausserdem bei den (natürlich willkürlichen) Einreichungen auffiel, ist die zunehmende Wohnfläche. Die 46 Quadratmeter pro Person wird die Statistik bald um zehn Quadratmeter nach oben korrigieren.
Der Wettbewerb
Zum fünften Mal lobte der Callwey Verlag in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Architekturmuseum und der Unterstützung des InformationsZentrum Beton sowie Kaldewei den Wettbewerb «Häuser des Jahres – die besten Einfamilienhäuser» aus. Die überzeugend besetzte Jury erkor 2015 aus 225 Einreichungen 50 Projekte und benannte aus diesen einen Preisträger und sechs Anerkennungen. Dabei wurde Wert auf Nachhaltigkeit, innovativen Einsatz von Materialien, kreativen Umgang mit der baulichen Situation und auf konsequente Ausführung gelegt. Das Buch zum Wettbewerb präsentiert diese 50 besten Häuser – mit zahlreichen Fotos, Lage- und Architektenplänen und aussagekräftigen Projektbeschreibungen aus der Feder von Wolfgang Bachmann, Publizist und ehemaliger Herausgeber des Architektur-Magazins Baumeister. Und der in Moskau geborene deutsche Bestsellerautor Wladimir Kaminer steuert die Einleitung bei.
Die Preisträger
Den mit 10’000 Euro dotierten ersten Preis gewann Bernardo Bader Architekt aus Dornbirn in Österreich mit seinem Projekt «Behauste Scheune». Die Jury war begeistert von diesem selbstverständlichen, im Detail aber meisterhaft geprägten Haus, welches unter anderem durch die geschickte Verwendung nachhaltiger Materialien überzeugt. In den Bodendielen lässt sich wiederverwendetes Holz aus dem ehemaligen Bauernhaus finden, das Holz der Fassade stammt aus dem nahegelegenen Wald und im Inneren dann eine Art «Tisch» aus Sichtbeton, der die tragende Decke und Wände umfasst und als massiver Speicher die Wärme der Fussbodenheizung aus Erdwärme aufnimmt.
Anerkennungen gingen an: pedevilla architects, Bruneck (I), für das Einzelstück (Mühlen in Taufers); L3P Architekten, Regensberg (CH), für den Weinstockbau (Dielsdorf CH); Marazzi Reinhardt, Winterthur, für Zeugnis Geben (Beggingen CH);