An der Swissbau war das Thema Energiewende ein zentraler inhaltlicher Messebaustein. Es ging um solares Bauen, solares Heizen und um den Blick über die Gebäudehülle hinaus – beispielsweise in Richtung E-Mobilität. Mattias Gienal ist Leiter Marketing und Kommunikation der ecocoach AG und bringt diese Themen unter einem Dach zusammen.
Wir stehen mitten in der Energiewende. Das heisst weg von wenigen Oligopolen, die auf fossile Energien und Atomstrom setzen und hin zu dezentralen Lösungen,
die die regenerativen Energien nach vorne bringen sollen. Was ist an diesem Prozess aus Ihrer Sicht positiv zu vermerken?
Der Prozess der Umsetzung der Energiewende schafft die Möglichkeiten, die Last und die Erwartungen an die Energiewende auf mehrere Schultern zu verteilen. Das heisst, es sind jetzt nicht nur die einzelnen grossen Energieanbieter gefragt, Lösungen anzubieten, sondern jeder einzelne Investor kann selber einen Beitrag dazu leisten, die Energiewende nach vorne zu treiben und für sich den Weg in Richtung regenerative Energien gehen.
Und wo hat es noch Luft nach oben und was läuft falsch?
Das betrifft sicher die vielfältigen regulatorischen Hürden, die man etwas liberaler handhaben könnte. Gerade heute gibt es viele neue Ideen, die relativ schnell umgesetzt werden könnten, aber ausgebremst werden. Dann gibt es momentan in der Schweiz völlig
zerklüftete Standardisierungsanforderungen.
Da können Sie uns sicher ein Beispiel aus unsere Alltag verraten?
Wenn man beispielsweise einen Batteriespeicher in Betrieb nehmen möchte, sind die
Vorgaben der einzelnen teils kantonal organisierten Elektrizitätswerke jeweils anders.
Der berühmt berüchtigte Kantönligeist schlägt wieder zu. An diesem Punkt wäre es natürlich zielführend, wenn man das vereinheitlichen könnte. Da ist die Politik gefragt, das braucht ein bisschen Zeit. Auf jeden Fall ist dies ein Thema, wo wir noch Luft nach oben haben, um in Ihrem Bild zu bleiben. Wie positioniert sich Ihr Haus in den Märkten, die die Energiewende vorantreiben? Es geht bei ecocoach nicht nur um einige wenige Produkte wie Solarzellen, Speicher oder Smartphone-
Apps. Es gibt viele Produkte und Dienstleistungen aus einer Hand. Verstehen
Sie sich als Brückenbauer?
Man kann uns als Brückenbauer verstehen. Ich würde aber unser Geschäftsmodell
etwas präziser fassen wollen. Wir sind ein ganzheitlicher Anbieter von Lösungen für Energie- und Gebäudetechniken. Wir schauen uns das Gebäude als Ganzes an. Wo spielt Energie eine zentrale Rolle, wo kann ich dort mit welchen Instrumenten den Hebel ansetzen? Beim Thema Komfort und Gebäudetechnik stimmt das Brückenbild. Hier schlagen wir eine Brücke in das Feld der Gebäudeautomation. Es geht um Lösungen, die auf der einen Seite standardisiert sind, auf der anderen Seite aber spezifisch adaptiert werden. Somit können wir individuell und passend arbeiten. Wir vereinfachen den Zugang zu regenerativen Energielösungen und Gebäudeautomation für die Bauwirtschaft, von der Installation, dem Betrieb bis zur Abrechnung – eine Brücke in die Energiezukunft, um bei der Bildsprache zu bleiben.
Sie haben für Ihre Nutzer eine digitale Komplettlösung für die Gebäudeautomation und das Energiemanagement entwickelt. Wie kann man sich diese App in der Praxis vorstellen?
Lassen Sie mich das am Beispiel der Elektromobilität verdeutlichen. Man fährt mit seinem
Fahrzeug vor seinem Haus vor. Mit einer App öffne ich das Garagentor, parkiere mein Auto verbinde es mit dem Ladestecker und starte dann sofort die Ladesäule. Die App und das aktive Energiemanagement verwalten meinen gesamten Energiebereich. Die Sonne scheint und ich sehe mit einem Blick, dass ich nun mein Fahrzeug mit Sonnenstrom lade, gleichzeitig kann ich mit der gleichen App die Jalousien herunterfahren. Das Gebäude interagiert mit einer App in allen Gebäudetechnik- und Energiebereichen. Mit der App hat man den Überblick, was im Gebäude wie viel Energie verbraucht. Es geht in der Folge um ein intelligentes Energiemanagement, ohne dass der Mensch immer aktiv eingreifen muss. Ich priorisiere den Sonnenstromeinsatz für alle Verbraucher nach Wunsch mit präzisen Leistungsangaben. Wenn ich beispielsweise eine Klimaanlage habe, deren Energieverbrauch
über eine Photovoltaikanlage gewährleistet wird, aber nur den Energiebereich im Auge
haben kann, verschenke ich Potenziale. Es wird erst dann spannend und ganzheitlich, wenn ich zum Beispiel die Beschattungsstrategie mit der Klima- und Photovoltaikanlage kombiniere. Über die Verbindung von Energie und Gebäudetechnik habe ich erstens die Möglichkeit, dass ich die Klimaanlage mit nachhaltiger Energie versorgen kann, und dann zweitens die intelligente Beschattung sicherstelle, sodass diese Kühlenergie nicht sinnlos verpufft.
Wie sieht es mit den Schnittstellen aus?
Wir arbeiten mit einem PC-basierten Automationssystem mit Beckhoff-Technologie.
Der renommierte deutsche Anbieter von industriellen Steuerungen, Beckhoff Automation GmbH, liefert die zuverlässige Hardware und die Technologie-offene Plattform. So können wir faktisch jegliche technische Lösung einbinden, die offene Protokolle anbietet. Wir haben derzeit eine umfassende Standardlösung implementiert. Alle die genutzten Komponenten bilden unsere Kompatibilitätsliste und können hier und heute eingefügt werden. Wenn
Spezialwünsche bezüglich Gerätetechnologie da sind, kann man diese, im Rahmen einer Entwicklungsarbeit von ungefähr zwei Wochen, implementieren und dann auch wieder standardmässig zur Verfügung stellen. Das ecoSetupTool ist das Herzstück der ecocoach-Plattform. Es schlägt die Brücke zwischen den bauseits vorhandenen Komponenten und dem Installateur. Die gesamte Oberfläche ist visuell strukturiert aufgebaut und ersetzt die SPS-Programmierung. Solarteure, Elektrofachkräfte und Systemintegratoren implementieren dabei zunächst die gewünschte Hardware und ihre Funktionen auf Grundlage des projektspezifischen Elektroschemas. Dazu integrieren sie vorprogrammierte Funktionsblöcke per Drag & Drop in das Projekt, definieren die In- und Outputs und legen die Grundeinstellungen fest. Anschliessend schreibt das ecoSetupTool den gesamten
SPS-Code selbstständig und innerhalb weniger Minuten auf die dann funktionsbereite
Steuerung. ecocoach digitalisiert auf diese Weise die individuelle Programmierung und
öffnet Installateuren die Tür zur eigenständigen Abwicklung jeglicher Projektsettings.
Der Clou an der ganzen Geschichte ist, dass der Installateur mithilfe einer grafischen Oberfläche die Komponenten installieren kann. Wir standardisieren sozusagen die
entsprechenden Programmbausteine und reduzieren den gesamten zeitlichen Aufwand
um mindestens 80 Prozent.
Kommen wir vielleicht zum Thema Solarspeicher. Das Thema war für normale Häuslebauer bis vor wenigen Jahren noch eine relativ teure Angelegenheit. Ausserdem hat man früher Strom eingespeist, wenn man einspeisen wollte, hat man dafür Geld bekommen. Heute produziert man eher Solarenergie, die man selber verbraucht. Und da ist natürlich ein Speicher sehr wichtig. Welche Kapazitäten stehen euch da zur Verfügung?
Wir haben da zwei Basislösungen, beim eco-BatterySystem Small, stehen 13 kWh bis
26 Kilowattstunden (kWh) zur Verfügung…
Also für Einfamilienhäuser?
Genau, für ein Einfamilienhaus. Es kommt dann oft die Frage: «Aber warum starten
Sie erst ab 13kwh?» Da kommt wieder die Elektromobilität ins Spiel. Sobald ich ein
Fahrzeug laden möchte, mit Solarenergie, die ich am Tag gespeichert habe, brauche
ich ungefähr sechs kWh zusätzlich. Wenn wir überschlagsmässig von einem Durchschnittsverbrauch von 20 kWh pro 100 Kilometer ausgehen, decke ich mit sechs
kWh genau die schweizweit durchschnittliche Fahrstrecke von 30 km pro Tag. Ein
Kunde aus dem Tessin lebt genau diesen Lebensstil. Sein Haus war in den Sommermonaten
zu 98.5 Prozent energieunabhängig, und auch seine täglichen Fahrten im Elektrofahrzeug der Oberklasse wurden mit eigenem Strom betrieben. Eine nachhaltige Unabhängigkeit, die fasziniert, mitgestaltet durch ecocoach-Technologie.
In einem Einfamilienhaus kann ein Speicher Sinn machen. Richtig spannend
wird es dann doch, wenn man sich mit mehreren Hauseigentümern im selben
Quartier zusammenschliesst, weil man dann ganz andere Lösungen realisieren
kann. Wie sehen Sie das?
Das ist genau der Punkt, an den wir anknüpfen wollen. Wir haben ein Projekt in
Schwyz begleitet, wo genau diese Vernetistzung realisiert wird. Das ist für uns ein wegweisendes Beispiel. Strom und Mobilität funktionieren hier als ganzheitlicher Ansatz.
Wir arbeiten dort mit vier zusammengeschalteten 65-kWh-Speichern, welche in der
Summe ein Speicher von 260 kWh bilden.
Wir sind hier an der Swissbau. Sieht der mögliche Kunde, der an Ihren Stand
kommt, nicht mehr den Wald vor lauter Bäumen? Wie brechen Sie dieses komplexe Thema auf praktische Ebenen runter, damit man dann schlussendlich
zu einer passenden Lösung kommt?
Das funktioniert durch gezielte Kundenansprache. Es geht um den Kundenwunsch
und das zu lösende Problem, das es zu ermitteln gilt. Es kommt somit darauf an,
wer zu uns kommt. Der Verantwortliche einer Gemeinde für Energiefragen sucht
eine Komplettlösung, die im grossen Stil ausgerollt werden kann. Die Immobilienverwaltung
wünscht sich nur eine Digitalisierungslösung für die Verbrauchs-Messung und Abrechnung, die man einfach installieren kann. Investoren suchen ein skalierbares System, um eine ganzheitliche Lösung einfach für eine Überbauung umzusetzen. Der Blick ist dann holistisch
von der kopierbaren Inbetriebnahme für einheitliche Wohneinheiten über passende
Komforttechnik mit App und aktiver Energielösung bis zur Elektromobilität und der
digitalen Messung und Abrechnung.
Dann kommt es zu den Aha-Effekten. Diese Lösung ist wirklich smarter, effizienter und passt zu mir. Man holt sich nicht nur zusätzliche Technologie
ins Haus, sondern eine Lösung, die klaren Mehrwert bietet und einfach zu bedienen ist?
Unsere Kunden verlangen eine digitale Lösung, die ihr Leben vereinfacht. Als Immobilienverwaltung brauche ich beispielsweise nicht mehr persönlich vor Ort
Messdaten abzulesen, brauche die Daten nicht einzeln ins System einzugeben, da
eine Schnittstelle die Daten in meine Immobilienverwaltungssoftware importiert.
Ich kann die Manpower dann für Aufgaben einsetzen, wo persönlicher Einsatz
wirklich den Unterschied macht. Zudem bin ich sowohl als Verwaltung aber auch
als Investor über die Technologie-offene Technik sicher auch in Zukunft neue
Technologien einbinden zu können. Dies gibt mir Investitionssicherheit in Zeiten
des digitalen Umbruchs.