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Das wirken von Ferdinand Schuster

Freizeit für die Nachkriegsmoderne: das Stadionbad Kapfenberg.

Die Nachkriegsmoderne der Fünfziger-, Sechziger- und Siebzigerjahre des letzten Jahrhunderts verlangte schnelle und funktionale Lösungen. Trotzdem gelang es einigen Architekten, eine eigene Sprache, die auch für andere stilbildend war, zu entwickeln. 

Der Architekt Ferdinand Schuster (1920–1972) zählt in diesem Rahmen zu den bedeutendsten Vertretern der österreichischen Baukultur der Nachkriegsmoderne. Am 21. September 2020 wäre Ferdinand Schuster 100 Jahre alt geworden. Ausstellung und Publikation geben aus diesem Anlass einen Einblick in sein umfassendes Werk.
Vor allem in Kapfenberg und Graz realisierte Ferdinand Schuster Kirchen-, Industrie-, Freizeit-, Bildungs- und Wohnbauten. Schusters Arbeit entstand stets im Kontext seiner Reflexionen über die kulturellen, sozialen und politischen Dimensionen des Bauens. Seine Haltung vermittelte Schuster in der Architekturlehre an der Technischen Hochschule Graz, an der er von 1964 bis 1972 den Lehrstuhl für Baukunst und Entwerfen innehatte. In den Jahren 1950 bis 1972 prägte Ferdinand Schuster mit 140 Bau- und Planungsprojekten die österreichische Nachkriegsarchitektur. Stets war es sein Ziel, als Architekt «Anwalt der Menschen» zu sein und Verbesserungen des Lebensumfeldes zu schaffen. Mit den Ressourcen Material, Fläche und Raum ging er sorgsam um, denn Architektur bedeutete für ihn, die Verantwortung gegenüber der Bauaufgabe, der Funktion und dem Nutzer vor die rein formale Geste zu stellen. Nicht nur im schnell wachsenden Kapfenberg, sondern auch in anderen Gemeinden der Steiermark gab es Anfang der 1950er-Jahre nur begrenzte finanzielle Ressourcen. Auf der anderen Seite bestand jedoch ein enormer Bedarf an Wohnbau sowie neuen Bauten für Schulen, Kindergärten und Arbeitsstätten. Schuster war Pionier in diesem Spannungsfeld der Nachkriegszeit, in dem mit wenig Mitteln viel geschaffen werden musste.
Als Angestellter der Planungsabteilung der Böhlerwerke Kapfenberg entwarf Schuster zunächst zahlreiche Wohngebäude, die bis zum Schluss einen Schwerpunkt seiner baulichen Tätigkeit bilden sollten. Mit seinem Architekturbüro realisierte er Bildungsbauten, die sich durch ihr vielfältiges Raumangebot mit angelagerten Freibereichen auszeichneten. Schuster konzipierte Schulen als ein zweites Zuhause, das eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Lehrerinnen und Lehrern und Schülerinnen und Schülern förderte. Gleichzeitig dienten sie auch als Kulturzentren, Vereinshäuser und Mittelpunkt des sozialen Lebens in Städten und Siedlungen.

Die bedeutung von Mehrzeck-Konzepten
Seine Kirchen und Kapellen wirken bis heute durch ihre klaren, sachlichen Räume, die ihre sensuelle Erfahrbarkeit im Zusammenspiel von Licht und religiösen Ritualen erhalten. Mit der Typologie des «Mehrzweckraums» suchte Schuster die Antwort auf eine sich in der Nachkriegszeit in Österreich immer stärker teilende Gesellschaft. Er stellte fest, dass «… die Arbeitsteilung ohne Zweifel zum Verlust vieler für den Menschen wesentlicher Ganzheiten geführt hat …». Durch Mehrzweck-Konzepte und in seinen Siedlungsplanungen forderte er daher immer wieder Räume für Begegnungen im Alltag ein, trotz der damals propagierten neuen stadträumlichen und funktionalen Trennung von Wohnen, Arbeiten und Freizeit.
Bis heute sind die Spuren von Schusters baulichem Schaffen vor allem in Kapfenberg gut erkennbar: Die vorhandene städtebauliche Struktur basiert auf der Idee der Bandstadt, die er bereits in seiner Dissertation konzipierte; Schulen und Kindergärten sind erweiterbar und heute noch in Gebrauch. In der baulichen Ausformung und Konstruktion ist die Architektur von Ferdinand Schuster durch ihre Entstehungszeit geprägt. Die verwendeten Materialien waren gebräuchliche Baustoffe wie Holz, Ziegel oder Beton, die er mit einem präzisen Verständnis für Oberfläche, Detail und Wirkung einsetzte. Seine Gebäude lassen sich auch heute noch mühelos auf technischer, funktionaler, gesellschaftlicher und atmosphärischer Ebene an aktuelle Veränderungen anpassen. Die Ausstellung und eine Buchpublikation spüren dem Leben und Werk von Schuster nach und fragen, neben der Würdigung seines facettenreichen Œuvres, nach der Relevanz seiner Denkansätze und Herangehensweisen für die heutige Zeit.

www.hda-graz.at

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