© Zettler / Verlag Jaumann

Im Oktober letzten Jahres ist der duale Studiengang Architektur, welcher in
Sizas Fabrikhalle auf dem Vitra-Campus in Weil am Rhein stattfindet, als erster
seiner Art an einer öffentlichen Hochschule in Deutschland erfolgreich in das erste Semester an der DHBW Lörrach gestartet. Der ausserordentliche Erfolg bringt eine derart grosse Nachfrage mit sich, dass im Oktober 2024 mit gleich zwei neuen Erstsemesterkursen die Lehre des neuen Studienjahrs aufgenommen wird.

Herr Professor Hovenbitzer, Sie sind an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Lörrach der Leiter des Studiengangs Architektur und haben dessen Gründung massgeblich geprägt. Können Sie mir bitte das Format sowie die Besonderheiten des dualen Studiengangs Architektur näherbringen?
Frank Hovenbitzer: Der Studiengang Architektur an der DHBW Lörrach ist der deutschlandweit erste Studiengang nach dualem Studienkonzept. Das heisst, in den sieben Semestern des Bachelorstudiums sind die Studierenden abwechselnd ein Semester an der DHBW für das theoretische Studium und anschliessend bei ihrem Partnerunternehmen – wir nennen sie duale Partner – für die Praxisphase. Das duale Konzept verbindet das akademische Studium mit den praktischen Befähigungen für das spätere Arbeitsfeld. Vermittelt wird «State of the Art»-Wissen in der Architektur, gelehrt und akkreditiert nach den Kriterien europäischer Hochschulen für Bachelor-Abschlüsse. Als zukunftsorientiertes
Studium liegt ein besonderer Fokus auf den Themen Nachhaltigkeit, Holzbau und Digitalisierung.

Das Konzept mit den dualen Partnern hört sich innovativ und vielversprechend an. Aus welchen Branchen werden sie hinzugezogen und wie steht es um die erforderlichen Qualitätskriterien?
Das sind derzeit zu etwa 70Prozent Architekturbüros, zu 15Prozent Behörden und zu 15Prozent Holzbaubetriebe. Voraussetzung für einen dualen Partner ist, dass er einen Architekten oder eine Architektin im Haus hat, der oder die dort ausbildungsverantwortlich für Studierende tätig ist. Die Partner werden von uns ausserdem evaluiert, sprich: Wir prüfen, ob sie unseren Qualitätskriterien entsprechen. Übrigens können auch schweizerische Unternehmen eine Partnerschaft eingehen – derzeit bereichern fünf Partner aus der Schweiz den Studiengang.

Welches Gedankengut liegt der Gründung der DHBW Lörrach in der Region
südlicher Schwarzwald zugrunde?
Die DHBW ist mit rund 34’000Studierenden die grösste Hochschule des Bundeslandes Baden-Württemberg. Sie hat gesamthaft neun Standorte, Lörrach ist seit 1981 einer
davon und seit jeher als Bildungspartner im Dreiländereck auch mit der Schweiz und
Frankreich verknüpft. Einige unserer dualen Partner kommen aus der Schweiz oder aus Frankreich. In zwei trinationalen Studiengängen kooperieren wir mit der FHNW und der Université de Haute-Alsace (UHA). Dort bieten wir trinationale Bachelorstudiengänge in Technik (Mechatronik) und Wirtschaft (International Business Management) mit Studium an den drei Standorten (Lörrach, Basel, Mulhouse beziehungsweise Colmar) und mit Studierenden aller drei Länder an.

Die Idee, an der DHBW Lörrach Architektur anzubieten, trieb mich schon lange vor der Gründung im Oktober 2023 um. Zum einen haben wir in der Region einen Nachwuchsmangel an Architektinnen und Architekten, zum anderen bleiben junge Menschen, die zum Studieren in eine andere Stadt gehen, oftmals am Studienort hängen. Unser Architekturstudium soll allgemein die Baukultur und Architektur in unserer Region stärken, und das verstehe ich durchaus grenzüberschreitend.

Der Studiengang Architektur findet in Sizas Fabrikhalle auf dem Vitra-Campus in Weil am Rhein statt – einem äusserst inspirierenden Ort für Baukultur. Wie kamen Sie zu diesem mehr als passenden modernen Lernort?
Ja, auch die Räumlichkeiten hier auf dem Vitra-Campus sind eine der Besonderheiten unseres neuen Studiengangs. Auf dem Campus sind allein fünf Träger des Pritzker-Preises mit Bauten vertreten, darunter eben Alvaro Siza.

Mit dem neuen Studiengang Architektur waren an der DHBW Lörrach neue Räumlichkeiten notwendig – und das nicht nur, weil die DHBW Lörrach ihre Raumkapazitäten bereits zuvor ausgeschöpft hatte, sondern auch, weil ein Architekturstudium eben spezifische Werkräume und Ateliers benötigt. Mit dem innovativen und hochfunktionalen Holzeinbau in der Siza-Produktionshalle auf dem Vitra-Campus in Weil am Rhein wurden ideale Bedingungen geschaffen: Eingebettet in den über die Region und die Landesgrenzen hinweg bekannten Hotspot der Architektur, bietet der Vitra-Campus nicht nur räumlich und funktional alles, was das neuartige Architekturstudium nach dem dualen Studienmodell benötigt, sondern auch die Infrastruktur ist ideal. Passend zu den inhaltlichen Schwerpunkten unseres Architekturstudiums wurde in einem Teil der Halle ein zweigeschossiger Holzbau errichtet. Man kann hier die Vorzüge des modularen Holzbaus sehen. Unter anderem wurden ganze Wände in Holzbaubetrieben vorgefertigt. So entstand innerhalb von drei Monaten ein modernes Learning-Center mit weitläufigem Arbeitssaal, Seminarräumen, Werkstätten, Auditorium, Handbibliothek und vielem mehr. Das Ergebnis sind Räume, in denen man wunderbar zusammen studieren, lernen, diskutieren und Ideen austauschen kann. Wir fühlen uns hier sehr wohl.

In welcher Grössenordnung bewegt sich derzeit das Lehrpersonal?
Derzeit haben wir zwölf Lehrbeauftragte in verschiedenen Modulen wie Architekturtheorie, Bauphysik, Baustoffkunde oder Architectural-Sciences. Vertreten sind sowohl Architektinnen und Architekten als auch Professorinnen und Professoren anderer Fakultäten. Wir arbeiten zudem eng mit Holzbaubetrieben aus dem Schwarzwald zusammen und pflegen in Theorie und Praxis einen regen Austausch. Eine weitere Professur wurde gerade mit Daniela Bergmann besetzt, die von der Hafen-City-Universität Hamburg zu uns kommt. Wie bei meiner Professur ging auch ihrer Berufung ein Assessment-Center voraus. Daran haben 40 Bewerbende teilgenommen, was auch zeigt, wie interessant unser Modell für Lehrende ist.

Welche inhaltlichen Schwerpunkte werden während des Studiums aufgegriffen?
Der Fokus des Studiengangs liegt auf Gestaltung, Konstruktion, Holzbau, Digitalisierung sowie Nachhaltigkeit zu den Themen Recycling, Upcycling und Re-Use. Dabei gibt es verschiedene Wahlmodule wie BIM (Building Information Modeling), Advanced Media, Architekturfotografie, Denkmalschutz, öffentliches Baurecht et cetera. Wir haben ein völlig neues Curriculum entwickelt, das sowohl mit aktuellen Themen den Nerv der Zeit trifft und
junge Leute interessiert als auch einen besonderen regionalen Bezug hat. Hier am Fusse des südlichen Schwarzwalds spielt Holz als einzig nachwachsender Rohstoff eine zentrale Rolle. Wir möchten die grosse Tradition des Holzbaus auch in die Städte der Region bringen und den traditionellen Baustoff neu interpretieren. Mit Nachhaltigkeit untrennbar verbunden ist allerdings gute Gestaltung. Dafür bin ich auch angetreten und das ist es, was uns prägt: Gut gestaltete Architektur, die nachhaltig wirkt. Schliesslich bringt Architektur die Menschen auch zusammen, bestimmt die Qualität von öffentlichem Raum und bildet den baulichen Rahmen von Gesellschaft.

Im Herbst startet, nach einem ersten, sehr erfolgreichen Jahr, das neue Semester. Wurde ein Thema definiert, auf dem das Hauptaugenmerk liegen wird?
Die immense Nachfrage führt dazu, dass im Oktober 2024 statt wie bisher einer nun zwei neue Erstsemesterkurse mit dem Studium beginnen. Ausserdem hat sich in den vergangenen Monaten ein besonderer Bedarf an «öffentlicher Stadtentwicklungs-und Bauleitplanung» gezeigt. Als systemakkreditierte Hochschule konnten wir dem mit einem neuen zusätzlichen Schwerpunkt entsprechen und setzen diesen ab Oktober um. Studierende können neue Module aus diesem Bereich wählen und ihr Profil in Richtung öffentliches Bauen schärfen. Die Module decken «Stadt- und Regionalplanung», «Öffentliches Verwaltungsrecht» beziehungsweise «Vertrags- und Baurecht für Architekten» sowie «Projektmanagement und Kommunikation bei Bauvorhaben» ab. Damit schaffen wir ein weiteres Alleinstellungsmerkmal des Studiengangs Architektur als duales Studium und begegnen in der für die DHBW so spezifischen Weise dem Bedarf aus der Wirtschaft, in
unserem Falle der Architekturbranche.

Wie lange dauert das Studium und welche Qualifikationsziele werden in diesem Studiengang angestrebt?
Das Studium dauert, wie andere Architekturstudiengänge auch, sieben Semester und
schliesst mit dem Bachelor of Arts Architektur ab. Start ist immer zum 1. Oktober eines Jahres. Es sind keine Eingangstests beziehungsweise Vorpraktika nötig. Man braucht eine Hochschulzugangsberechtigung wie Abitur, Matura oder Ähnliches. Für einen Studienplatz an der DHBW Lörrach bewirbt man sich zunächst bei einem unserer Partnerunternehmen und schliesst mit diesem einen Studienvertrag ab. Für die Bewerbung ist eine Mappe nicht verpflichtend, macht jedoch einen guten Eindruck. Wir sind auch offen für neue Partnerunternehmen, gern auch aus der Schweiz.

Die DHBW Lörrach befindet sich im Dreiländereck. Wie gut ist die Anschlussfähigkeit an andere europäische Hochschulen aufgestellt?
Alle Studiengänge der DHBW und somit auch der Architektur schliessen mit dem europaweit geltenden Bachelorabschluss ab und werden als Intensivstudium mit ECTS bewertet. Das «European Credit Transfer and Accumulation System» (ECTS) ist ein zentrales Instrument zur Förderung der Mobilität von Studierenden in Europa. Dieses System erfasst und dokumentiert die erbrachten Leistungen der Studierenden, um sie international lesbar und vergleichbar zu machen. Dadurch wird die Anerkennung der Leistungen erleichtert. Dies unterstützt insgesamt die Ziele der BolognaErklärung von 1999, die darauf abzielt, die Mobilität und Zusammenarbeit im europäischen Hochschulraum zu verbessern. Im dualen Studiengang Architektur erwerben die Studierenden insgesamt 240 ECTS-Punkte und können damit weitere Studien im In- und Ausland anschliessen.

Wird zukünftig an der DHBW Lörrach ein Masterstudiengang Architektur absolviert werden können?
Ein Masterstudiengang Architektur an der DHBW Lörrach ist mittelfristig geplant. Der Master ist unter anderem Voraussetzung für die Aufnahme in die Architektenkammer als «Architekt*in». Auch an allen anderen europäischen Hochschulen berechtigt der Architektur-Bachelor der DHBW zum Masterstudium.

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