Neue Dienstleistungen oder Produkte, welche ohne Wenn und Aber kräftig in die Zukunft einzahlen, werden in den wenigsten Fällen einfach so aus dem Ärmel gezaubert. Vielmehr entstehen zukunftsfähige Innovationen auf der Basis von Visionen und werden mit Strategie, Kultur sowie Fachkompetenz sorgfältig in der Realität konstituiert. Dessen ist man sich bei der traditionsreichen Firma dormakaba vollumfänglich bewusst – auch darüber, dass innovatives Handeln ohne eine sinnstiftende und intakte Unternehmenskultur kaum möglich ist.
Interviewpartner: Beat Aeschimann
Autorin: Gabriela Röthlisberger
Bilder: dormakaba Schweiz AG
Herr Aeschimann, das global agierende Unternehmen dormakaba verfügt in der Schweiz mit seinen vier Standorten über eine ausgesprochen starke Marktposition im Bereich Zutrittslösungen. Ein uns allen wahrscheinlich bekanntes Produkt ist der von dormakaba erfundene und zum Standard gewordene Wendeschlüssel Kaba star. Welchen Stellenwert hat der Standort Schweiz für die dormakaba-Gruppe?
Beat Aeschimann: Die ältesten Wurzeln von dormakaba sind in der Schweiz zu finden, denn 1862 hat Franz Bauer eine Schlosserei und Kassenfabrik in Zürich gegründet. Hintergrund war die damals neue Bundesverfassung, die vorschrieb, dass die Buchhaltung an einem feuersicheren Ort aufbewahrt werden musste. Vor über 50 Jahren wurde dann das heutige Produktionsgebäude in Wetzikon errichtet und vor zehn Jahren fand der Merger zwischen dem deutschen Mittelstandsunternehmen Dorma und dem schweizerischen Unternehmen Kaba zu dormakaba statt. Heute gehört die Schweiz innerhalb der internationalen dormakaba-Gruppe zu den strategischen Kernmärkten.
Wie steht es um die Produktion auf Schweizer Boden?
Die gibt es selbstverständlich noch immer! 1934 wurde in der Schweiz der bereits erwähnte Wendeschlüssel und der Sicherheitszylinder Kaba patentiert, was den Beginn einer sicherheitstechnischen Revolution markierte. Noch heute werden im Werk Wetzikon die mechanischen Schliessanlagen Kaba star, Kaba 20 und Kaba 8 produziert, ebenso der Digitalzylinder. Dank fortlaufender Investitionen in Innovationen und Weiterentwicklung ist der Produktionsstandort Wetzikon aktuell einer der effizientesten und innovativsten innerhalb der Gruppe.
Können Sie mir bitte eine kompakte Version über das komplexe Portfolio von dormakaba vermitteln?
Zunächst tragen rund 60 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer einen Kaba-Schlüssel aus dem Zürcher Oberland mit sich (beispielsweise im Hosensack) und vertrauen der mechanischen Sicherheit von dormakaba.
Heute geht es mehr und mehr um integrierte Zutritts-lösungen in jeder Phase des Gebäude-Lebenszyklus. Dabei nutzen wir die Vorteile von Konnektivität, Integration und Ökosystemen als Grundlage für zusätzliche Kundenvorteile durch mehr Benutzerfreundlichkeit und Produktivität.

Welches konkrete Ziel wird dabei anvisiert?
Personenflüsse in Gebäuden sicher, effizient, barrierefrei und nachhaltig zu steuern: wann sich welcher Zutritt für wen öffnen und wem der Zutritt verwehrt bleiben soll. Seit Jahrzehnten zählen weltweit Bildungseinrichtungen, Flughäfen, Krankenhäuser, Banken, Hotels, Bürogebäude, Stadien und viele weitere Orte mit hohem Publikumsverkehr zum Kerngeschäft von dormakaba. Überall dort, wo täglich zahlreiche Menschen gleichzeitig sicher und möglichst reibungslos unterwegs sein sollen, kommen Produkte des Unternehmens zum Einsatz.
Das Unternehmen hat den Ruf, eine der nachhaltigsten Firmen in dieser Branche zu sein. Auf welchen tragenden Säulen basiert das Engagement von dormakaba für die Umwelt?
Unser strategisches Konzept basiert auf drei Säulen: Planet, People, Partnerships. Wir sind bereit und entschlossen, Massnahmen für eine CO2-arme Kreislaufwirtschaft zu ergreifen. Spätestens 2050 wollen wir die Netto-Nullemissionen erreichen – und für 2030, also bereits in knappen fünf Jahren, streben wir eine Klimaneutralität des Unternehmens an.
Worauf wird bei den Säulen «People» und «Partnerships» Wert gelegt?
Unser Ziel ist es, eine faire, integrative und sichere Unternehmenskultur zu schaffen, die es unseren Mitarbeitenden ermöglicht, erfolgreich zu sein. Wir bieten ihnen einen Arbeitsplatz, an dem sie sich kontinuierlich weiterentwickeln, ihre Ideen offen einbringen und stolz auf ihre Leistungen sein können.
Und last, but not least Partnerschaften. Gerade in der Schweiz pflegen wir intensiv unser Partnernetzwerk mit den zertifizierten dormakaba-Partnern. Eine langfristige partnerschaftliche Zusammenarbeit sehen wir als Schlüssel zum Erfolg.
Bei dormakaba scheinen ein stark ausgeprägter Unternehmergeist und eine erstklassige Innovationsfähigkeit wie ein linker und rechter Flügel zu funktionieren. So hat die Firma beispielsweise die ersten cloudbasierten Zutrittslösungen auf den Markt gebracht. Wie viel Innovationskraft muss tatsächlich in dem sich aktuell rasant entwickelnden digitalen Zeitalter vorhanden sein?
Die Frage legt es schon nahe: enorm viel. dormakaba investiert seit jeher überdurchschnittlich viel in Forschung und Entwicklung, denn Innovationskraft ist in unserer DNA stark ausgeprägt. Das zeigt sich in unseren mehr als 1800 Patenten oder den Hunderten von Mitarbeitenden im Bereich Forschung und Entwicklung. Mit Innovationen ist es uns immer wieder gelungen, Markttrends zu setzen. Beispiele hierfür sind im Rückblick der Geschichte der oben erwähnte Wendeschlüssel von 1934 oder die Vision von Rudolf Mankel jun. aus den 1990er-Jahren – «Der schönste Türschliesser ist der, den man nicht sieht» –, woraufhin der integrierte Türschliesser entwickelt und auf den Markt gebracht wurde. Und eben das neoterische, erste cloudbasierte Zutritts-system auf dem Schweizer Markt.
Der Bauprozess befindet sich im Wandel. Mit welchen weiteren Innovationen kann und darf man in nächster Zeit rechnen?
Kommunikation und Kollaboration nehmen an Bedeutung zu, gerade was smarte und nachhaltige Lösungen angeht, und die Effizienz beim Bauen soll weiterhin gesteigert werden. Das webbasierte EntriWorX-Ökosystem bringt die Beteiligten bereits im frühen Planungsprozess zusammen, hebt die Planungssicherheit durch vordefinierte Türlösungen auf ein neues Niveau und stellt sicher, dass eine durchgängige Bearbeitung stattfindet. So stehen Planungsanpassungen allen Beteiligten jederzeit zur Verfügung. Im weiteren Gebäudelebenszyklus sorgen diverse Tools für ein effizientes und nachhaltiges Türmanagement. Ein Beispiel ist der Wartungsrhythmus für Service, der so an die tatsächliche Nutzung angepasst werden kann.
An der Swissbau (20. bis 23. Januar 2026) wird dormakaba mit einem Messestand präsent sein. Auf welchen Leitthemen wird an dieser renommierten Fachmesse der Fokus liegen?
Die Messe selbst hat 2026 das Motto «Zusammen neue Impulse setzen». Am dormakaba-Stand werden Impulse zu folgenden vier Bereichen aufgegleist:
Cloud-basierte Zutrittslösungen setzen neue Massstäbe für Flexibilität, Effizienz und Kontrolle. Gebäude, Nutzer und Daten werden intelligent miteinander vernetzt – standortübergreifend, in Echtzeit und sicher. Unsere Cloud Solutions ermöglichen es, Zutritt zentral zu steuern, Prozesse zu automatisieren und jederzeit den Überblick zu behalten.
Energieeffizienter Zugang – innovative Zutritts-lösungen bieten nicht nur Komfort und Sicherheit, sondern tragen aktiv zur Energieeffizienz von Gebäuden bei. Wir zeigen Tür- und Zugangssysteme, die Wärme-verluste minimieren, den Energieverbrauch senken und sich intelligent in Gebäude-management-systeme integrieren lassen.
Kritische Infrastrukturen – moderne Zutritts-lösungen, die speziell für kritische Infrastrukturen geeignet sind, von Energieversorgung über Gesundheitswesen bis zu Verkehr und Verwaltung. Systeme, die höchste Sicherheitsanforderungen erfüllen, flexibel skalierbar sind und auch unter Extrem-bedingungen zuverlässig funktionieren.
Barrierefreiheit – Zutrittslösungen, die allen Menschen den Zugang erleichtern – unabhängig von Alter, Mobilität oder technischen Vorkenntnissen. Ob automatische Türsysteme, taktile Leitsysteme oder digitale Assistenzfunktionen – der Mensch steht im Mittelpunkt.
Können Sie mir zum Thema «energieeffizienter Zugang» ein Produkt sowie dessen Anwendung in der Praxis näherbringen?
Stellen Sie sich eine offene Tür vor – da ist ein Loch in der Wand, durch das ein Energieverlust stattfindet, gerade bei grossen Temperaturunterschieden wie jetzt in der kalten Jahreszeit. Heute muss eine automatische Schiebetür so eingestellt sein, dass sie so lange offen stehenbleibt, damit jemand, der besonders langsam geht, zum Beispiel jemand mit eingeschränkter Beweglichkeit oder ein Kind, Zeit genug hat, sie zu passieren. Oder sie geht unnötigerweise auf, wenn die Person gar nicht hinein möchte, sondern einfach nur davorsteht.
Was wäre nun, wenn eine intelligente Türsteuerung erkennt, wie schnell sich die Person darauf zubewegt, ob es allenfalls mehrere Personen nebeneinander sind oder dass die Person gar nicht hineinwill, und daraus errechnet, ob und wann der optimale Öffnungszeitpunkt ist, wie lange sie offenbleibt und wann sie wieder schliessen soll? Das Loch wäre also nur so lange da wie unbedingt nötig – eine massive Steigerung der Energieeffizienz.
Mit der Entwicklung von qualitativ hochwertigen Produkten hat dormakaba bereits wertvolle Beiträge zum grüneren Bauen geleistet. Wie steht es in diesem Rahmen um eine transparente Produktdeklaration?
Wir erstellen Umwelt-Produktdeklarationen (EPDs), um die Umweltauswirkungen unserer Produkte über deren gesamten Lebenszyklus offenzulegen. Dabei folgen wir den ISO-Normen, um sicherzustellen, dass unsere Umweltinformationen transparent, verlässlich und glaubwürdig sind.
Unsere EPDs basieren auf Lebenszyklusanalysen, die eine verlässliche Berechnung der Umweltleistung eines Produkts ermöglichen. In der Regel verwenden wir den Cradle-to-Gate-Ansatz (mit Optionen). Sämtliche Umweltauswirkungen werden erfasst, die während der Rohstoffgewinnung bis hin zur Produktion, dem Vertrieb, der Nutzung und dem Lebensende entstehen. Diese werden auf Basis von Materialien, Energieverbrauch, Transportwegen und Emissionen über die gesamte Lebensdauer der Produkte quantifiziert.
«Eine integrierte Zutrittslösung kauft man nicht von der Stange – entscheidend sind die tatsächlichen Bedürfnisse.»
Kritische Infrastrukturen sind heute mehr denn je von physischen Angriffen und Cyber-Attacken betroffen. Wie unterstützt dormakaba Betreiber von kritischen Infrastrukturen?
dormakaba unterstützt diese Kundschaft in ihren Resilienzbestrebungen, indem sie die speziellen Bedürfnisse analysiert, was die physische Sicherheit betrifft. Was sind die operativen Tätigkeiten und welche expliziten Gefahrenstellen gibt es? Welche Bereiche sind besonders sensitiv und müssen geschützt werden? Welche Bereiche dagegen sind öffentlich? Das ist bei einem Krankenhaus völlig anders als bei einem Flughafen oder einem Fernsehstudio. Und so kann das optimale Konzept einer integrierten Zugangskontrolle mit physischen Sicherheitsbarrieren entstehen.
Wie ist diesbezüglich die genaue Vorgehensweise von dormakaba?
Um die Resilienz unserer eigenen Systeme gegen Cyberattacken sicherzustellen, fordern wir permanent unsere eigenen Systeme mit Penetrationstest und Security Researchers heraus. Andererseits stellen wir durch State-of–the-Art-Entwicklungsprozesse sicher, dass Systeme geschützt sind. Und für gewisse Anwendungsfälle, wenn hohe Flexibilität bei optimierten Anschaffungs- und Betriebskosten und gleichfalls bei der Rechtevergabe von Zutritten gefordert ist, kommt in der Zutrittsverwaltung mit «skyra» eine interessante Neuheit zum Einsatz, die wir auf der Swissbau präsentieren werden.
Zutrittskontrolle scheint eine individuelle, branchenbezogene und letztendlich massgeschneiderte Angelegenheit zu sein. Wie viel Raum nimmt die Objektberatung bei -dormakaba ein?
Relativ viel. Eine integrierte Zutrittslösung kauft man nicht von der Stange – entscheidend sind die tatsächlichen Bedürfnisse. Daher stehen hochkompetente Beraterinnen und Berater in frühen Phasen im Planungszyklus sowohl dem Kundenkreis als auch den Architektinnen und Architekten zur Seite. Dabei zählen wir vor allem auch auf unser grosses Netzwerk an zertifizierten dormakaba-Partnern. So decken wir die ganze Schweiz bis in die hintersten Täler ab.
Zum Schluss eine Frage, die mir persönlich durch den Kopf geht: Wird die digitale Zutrittskontrolle alle altbewährten mechanischen Systeme in Zukunft komplett verdrängen?
Wir stellen fest, dass ein gewisser Shift stattfindet, jedoch nicht in gros-sem Mass. Eine Ablösung beziehungsweise Verdrängung sehen wir nicht. Vielfach ist gerade in grossen Objekten die Koexistenz gefragt, also die hybride Lösung, weil sie einen optimalen Lösungsweg für die Kundschaft darstellt. Da spielen Kosten, feuerpolizeiliche Auflagen oder auch Gewohnheiten eine grosse Rolle – dormakaba kann diese integrierten Lösungen vollumfänglich bieten.
Messehinweis:
Swissbau, Halle 1.1, Stand A 54






