Unser Wald ist durch die Trockenheit und Hitze der letzten Jahre deutlich gezeichnet. Im Schweizer Mittelland fallen die wichtigsten drei Baumarten – Buche, Rot- und Weisstanne – gebietsweise in den nächsten Jahrzehnten flächig aus. Die klimatisch bedingten Veränderungen lassen sich nicht aufhalten. Waldbesitzer und Förster sind besonders gefordert.
Zischend schliessen sich die Bustüren hinter uns. Res Guggisberg, für die Region Pfannenstiel zuständiger Kreisforstmeister, erwartet uns bereits an der Haltestelle. Er ist ein besonnener, erfahrener Forstmann, der seinen Wald wie seine Westentasche kennt. Ein kräftiger Händedruck, und sofort kommt er zur Sache: «Der Wald verändert sich gerade in
einer Geschwindigkeit, die wir so noch nie gesehen haben.» Und tatsächlich, ein Blick auf den nahen Wald zeigt an verschiedenen Stellen Lücken und stehende, abgestorbene Nadelbäume. Wir betreten den Wald und treffen schnell auf eine grosse Lichtung. «Hier hat der Borkenkäfer gewütet, wir mussten eine flächige Zwangsnutzung durchführen», erklärt Guggisberg und ergänzt: «Die Holzkorporation als Waldbesitzerin hat für das dabei anfallende Holz kaum einen kostendeckenden Preis erhalten. » Was passiert mit den für Schweizer Verhältnisse ungewöhnlich grossen, an Kahlschläge erinnernden Flächen?
Das verschwinden der Baumarten
«Wir haben bislang immer mit Naturverjüngung gearbeitet. Die Bäume vermehrten sich natürlich. Das heisst, in einem Buchen- Fichten-Tannen-Wald wachsen – logischerweise – junge Buchen, Fichten und Tannen nach. Die Klimaveränderung wird aber die drei bei uns wichtigsten Baumarten in den nächsten Jahrzehnten weitgehend zum Verschwinden bringen. Eine ungeheuerliche Vorstellung! Uns bleibt nichts anderes übrig, als die Waldflächen mit bislang kaum oder nicht vorkommenden Baumarten zu bestocken. Das ist ein Riesenaufwand und birgt Risiken. Viele Waldbesitzer können oder wollen sich das gar nicht leisten.» Die Vorstellung, den Wald, wie wir ihn heute kennen, zu verlieren, löst in vielen Waldbesitzern Unruhe und Angst aus. Neben den wichtigsten drei Baumarten ist ja
auch noch die Esche in grossem Ausmass vom Eschentriebsterben betroffen. Die Ulme ist bereits weitgehend verschwunden. Niemand weiss, wie sich Baumarten entwickeln, die bis heute gut gedeihen. «Wir werden komplett neue Waldbilder schaffen müssen», erläutert Guggisberg, «Traubeneiche, Ahorn, Edelkastanie, Nussbaum sowie die Nadelbaumarten Lärche und Douglasie werden eine neue Ästhetik schaffen. Vielleicht kommen noch einige
Exoten dazu.» Das muss nicht schlecht sein, sondern kann eine hohe Biodiversität und stabile Bestände schaffen. Mit grösster Wahrscheinlichkeit wird der Anteil der Laubbäume im Vergleich zu heute zunehmen. Sägereien und die ganze Holzindustrie werden sich dem Trend anpassen müssen. Der Anteil an Energieholz wird weiter markant zulegen, denn Laubbäume haben einen viel höheren Anteil an Holz, das sich aus qualitativen Gründen nicht für die Verwertung als Bau- oder Möbelholz eignet.» Guggisberg blickt auf seine
lange Erfahrung zurück und bestätigt die Feststellung, dass sich die Nachfrage nach Holz in den letzten Jahren deutlich verschoben hat. Der Megatrend ist die stetige Zunahme des Anteils an Energieholz: «Ohne Energieholz, das wir früher als Nebenprodukt einfach noch mitgenommen haben, könnten wir den Wald heute gar nicht mehr ordentlich bewirtschaften.»
Waldbewirtschaftung
Offensichtlich ist es weltfremd, eine vermehrte stoffliche Nutzung des Holzes zu fordern. Denn es gibt weit und breit keine steigende Nachfrage nach Sägereiholz, Bahnschwellen, Papier- oder Zelluloseholz. Die meisten grossen Industrieholzabnehmer sind aus der Schweiz verschwunden. Sie werden in den nächsten Jahrzehnten nicht zurückkommen. «Wir haben Glück, dass eine wachsende Zahl grösserer Schnitzelheizungen mit Wärmenetzen in die Nachfragelücke gesprungen ist. Und auch Pelletheizungen liegen im Trend. Für Waldbesitzer kann es lohnend sein, Produktionswerke für Pellets aus Waldholz zu
unterstützen.» In der Schweiz gibt es bereits mehrere Werke, die direkt aus Waldholz Pellets herstellen. Ihre bisherigen Erfahrungen sind vielversprechend. «Ob wir es wollen oder nicht: Das Energieholz ist definitiv vom Nebenprodukt zum Motor der Waldbewirtschaftung geworden. Darüber bin ich nicht unglücklich, denn wir ersetzen damit massenhaft Heizöl und Erdgas. Unser Energieholz ist somit zu einer wichtigen Waffe im Kampf gegen die Klimaerhitzung geworden, von der die Schweiz als Gebirgsland besonders hart betroffen ist», bringt Res Guggisberg die Diskussion über die Holzverwendung auf den Punkt. Wir sind unterdessen wieder zur Bushaltestelle gewandert, einem etwas verwahrlosten Häuschen aus klimaschädlichem Metall. Auf der Hauptstrasse herrscht reger
Verkehr. Ein Lastwagen mit einer Ladung Heizöl lärmt vorbei. «Ein Auslaufmodell», lacht der Kreisforstmeister. Er meint es ernst. Und er hat Recht.