Die Solarbranche in Europa ist nach einer Boomzeit nach der Jahrhundertwende durch ein Tal der Tränen gegangen. Der Traum von einer ganz neuen prosperierenden Branche musste begraben werden. Es waren aber nicht nur die subventionierten chinesischen Lösungen, auf die man gerne mit dem Finger zeigte, schuld. Man ruhte sich auch auf den Lorbeeren der ersten Erfolgsjahre aus. Jetzt gibt es aber wieder Hoffnung. Mit neuen Technologien will man an alte Erfolgszeiten anknüpfen. Wir präsentieren ein Beispiel, in dem die klassische Wafer-Produktion revolutioniert wird.
Den Wettlauf um die Produktion von Solar-Standardmodulen haben europäische
Photovoltaik-Konzerne gegen chinesische Firmen schon vor fünf Jahren verloren. Sie konnten ihren anfänglichen Wettbewerbsvorteil, den sie um die Jahrhundertwende innehatten, nicht halten. Viele Akteure sind sogar vom Markt verschwunden oder haben grosse Probleme.
Der frühere Branchenprimus Solarworld aus Deutschland hat in den letzten Jahren sogar zwei Mal Insolvenz angemeldet. In der Schweiz kämpfen Anbieter wie Meyer Burger mit massiven Herausforderungen. Solar Max war mal weltweit ein bekannter Schweizer Wechselrichter. Sputnik Engineering ging schon 2014 Konkurs. Die Beispiele könnten hier fortgesetzt werden.
ERNEUTER AUFBRUCH
Die Situation ist paradox. Denn die Energiewende nimmt ja nun eigentlich richtig Fahrt auf. Ohne Frage müssen nun die übrig gebliebenen Unternehmen ihr Geschäftsmodell radikal umstellen. Jetzt hoffen sie auf den Solarboom 2.0. Eine Möglichkeit dabei sind intelligente Speichertechnologien, die bislang noch kaum genutzt werden. Viele Anbieter arbeiten derzeit daran, die Speicher optimal mit dem Haus oder dem ganzen Quartier zu vernetzen. Ziel der
Kooperation sind sogenannte Schwarm- Speicher – also der Zusammenschluss mehrerer Solarstrom-Speicher, die wetterbedingte Schwankungen in der Stromversorgung
besser ausgleichen können. Eine weitere Möglichkeit sind Unternehmen, die aus dem wissenschaftlichen Umfeld entstanden sind und nun den Sprung in den Markt wagen.
Es erscheinen so neue Player auf dem Solarmarkt.
VORSPRUNG DURCH TECHNOLOGIE
Im Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg (D) forscht man
seit Jahren an der Optimierung von Wafern, die die Basis für eine Photovoltaikzelle
darstellt. Dabei erkannten die Forscher, dass die energieaufwendige Herstellung von Wafern noch viel Luft nach oben hat. Ein neuer Denkansatz musste her. Bei der klassischen Produktion entsteht durch das Zersägen der Siliziumblöcke in Scheiben sehr viel Abfall. Das Ziel war, ein Abscheideverfahren zu entwickeln, bei dem die Wafer ohne klassischen Zuschnitt hergestellt werden. Es war schnell klar,dass der Rahmen eines Forschungsinstituts zu klein war.
SCHICHT FÜR SCHICHT
NexWafe wurde im Jahr 2015 als Spinoff des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE gegründet. Das Unternehmen konzentriert sich auf die Industrialisierung der innovativen Technologie für die epitaktische Herstellung von Siliziumwafern für die Photovoltaik. Kern ist ein atomar geordnetes Wachstum. Das Gas Chlosilian wird auf eine Wafer-Vorlage aufgebracht, die wie eine Druckvorlage mehrfach verwendet wird. Der Wafer wächst so Schicht für Schicht. Gehen wir den technischen Prozess Schritt für Schritt durch. In dem von NexWafe entwickelten EpiWafer-Prozess wird eine kristalline Siliziumschicht auf einem Saatwafer abgeschieden und anschliessend abgelöst. Diese bahnbrechende Technologie ermöglicht es, Wafer in jeder gewünschten Dicke ohne Sägeverlust herzustellen. Das Unternehmen konzentriert sich auf die Industrialisierung der bahnbrechenden Technologie zur epitaktischen Herstellung von Siliziumwafern für die Photovoltaik.
Ziel ist, die «kerfless wafer»-Technologie für epitaktisch gewachsene Wafer (Epi-Wafer) in den Markt zu transferieren und zu kommerzialisieren. Bei der EpiWafer- Technologie wird eine dicke kristalline Siliciumschicht epitaktisch auf ein Substrat aufgewachsen und danach als freistehender Wafer mit Standarddicke wieder abgehoben. Diese radikale Veränderung in der
Wertschöpfungskette ermöglicht die Herstellung von EpiWafern zu wesentlich geringeren
Kosten als mit der herkömmlichen Methode. Der Produktionsdurchlauf wird aus diesem Grund sehr viel effizienter.
BESSERER WIRKUNGSGRAD UND PREIS
Zunächst ging es um den Aufbau einer Pilotproduktionslinie, die monokristalline Wafer von höchster Qualität produziert und welche mit herkömmlichen Waferund Modul-Herstellungsprozessen vollständig kompatibel sind. Mit diesem neuen technologischen Ansatz gelingt es, monochristalline Wafer mit hohem Wirkungsgrad zu einem geringeren Preis anzubieten. Das ist ein echter Wettbewerbsvorteil. Nex- Wafe kommuniziert, dass man mit der Hälfte des Energie- und Materialeinsatzes im Vergleich zu anderen Herstellern klarkommt. Das schlägt sich auch auf die CO2-Bilanz positiv nieder.
NexWafe, ist ebenfalls begeistert von diesen neuen Ergebnissen: »Diese Werte zeigen, dass wir mit unseren EpiWafern eine bahnbrechende Technologie entwickelt haben. Sie beschleunigt die Marktentwicklung hin zu hocheffizienten Modulen, indem sie qualitativ hochwertige monokristalline EpiWafer zu sehr wettbewerbsfähigen Preisen anbietet, ohne dass der Zellhersteller seinen Prozess ändern muss. «Bitterfeld-Wolfen GmbH (CPG), Standortbetreiberin des gleichnamigen Chemieparks, beteiligt sich an der NexWafe GmbH.
NexWafe kommerzialisiert eine am Fraunhofer entwickelte Technologie zur epitaktischen
Herstellung von Siliciumwafern für Photovoltaik.
Inzwischen hat man den Ort gewechselt. Der ehemalige DDR-Chemiepark Bitterfeld
Wolfen war schon mal in den Jahren um die Jahrhundertwende ein Versuchsgelände
für ein Solar-Valley. Hier entsteht nun eine ganz neue Wafer-Fabrik. Die GEORG LUTZ
Freiburger haben als Partner die Silicon Products Bitterfeld als Partner gefunden. Nexwafe plant, Anfang 2020 seine industrielle Fertigung aufzunehmen und 50 Millionen Wafer jährlich zu produzieren. Sie wollen damit ein Prozent Weltmarktanteil am gesamten Siliziumwafermarkt erreichen.
MIT DEM PASSENDEN KNOW-HOW
Um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen, braucht man die entsprechenden Akteure. Und hier kommt Know-how aus der Schweiz ins Spiel. Mit der Ernennung von Peter Pauli zum neuen Chairman ihres Board of Directors unterstreicht das Unternehmen seine Strategie, die disruptive sägeverlustfreie Technologie zur Herstellung hoch effizienter monokristalliner Siliziumwafer weiterzuentwickeln und zu industrialisieren. «Peter Paulis langjährige und umfassende Erfahrung in der PV-Industrie aus den letzten 18 Jahren wird für NexWafe von
grossem Nutzen sein», sagt Dr. Stefan Reber, CEO von NexWafe. Von 2002 bis 2016 war Peter Pauli die treibende Kraft bei der Firmenentwicklung von Meyer Burger. Unter seiner Leitung entwickelte sich das Unternehmen von einem reinen Maschinenhersteller, der Säge- und Schneidegeräte in der Halbleiter- und Solarindustrie produzierte, zu einer weltweit führenden, innovativen, lösungs- und prozessorientierten Technologie-Gruppe in den Bereichen Photovoltaik-Industrie und anderen Hightech- Industrien. Neben vielen neuen Sägeund Schneidtechnologien führte Peter Pauli auch die hoch effizienten Solarzellen- und
Modultechnologien ein, darunter die Heterojunction- Zelltechnologie von Meyer Burger sowie die Smart-Wire-Technologie. «Wir sind fest davon überzeugt, dass er mit seinem Know-how eine erhebliche Wertschöpfung für unser Unternehmen schaffen wird, um das Siliziumwafer-Geschäft in eine neue Ära zu führen», betont Dr. Andreas Bett, Vorstandsmitglied
und Direktor des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE.