Subventionen im Umfang von jährlich 40 Milliarden Franken schwächen die Schweizer Biodiversität. Sie schädigen oder zerstören die Lebensräume zahlreicher Tier- und Pflanzenarten. Die Bereiche Strassenverkehr, Siedlungsentwicklung, Energieproduktion sowie die intensive Landwirtschaft sind die Hauptempfänger biodiversitätsschädigender Subventionen. Aber auch die Forstwirtschaft ist nicht gefeit dagegen. Die Bereitstellung von Energieholz kann ein Hoffnungsschimmer sein, wenn sie einige Grundsätze befolgt.
Seit Jahrzehnten nimmt die Biodiversität in der Schweiz in beunruhigendem Ausmass ab1. Die Vielfalt der Pflanzen- und Tierarten sowie der Landschaften und Lebensräume verarmt. Heute sind vor allem infolge intensiver Landnutzung mehr als ein Drittel aller untersuchten
Arten und fast die Hälfte aller Lebensraumtypen bedroht. Wohl hat die Schweiz bereits
vor bald 30 Jahren die internationale Konvention zur Förderung der Biodiversität ratifiziert und sich mit ihrer Strategie Biodiversität Schweiz verpflichtet, biodiversitätsschädigende
Subventionen abzuschaffen, umzuleiten oder umzugestalten. Dazu hat sie ein Bündel von Massnahmen zur Förderung der Artenvielfalt ergriffen und subventioniert diese jährlich mit ein bis 1.3 Milliarden Franken. Gleichzeitig fliessen aber jedes Jahr rund 40 Milliarden Franken für biodiversitätsschädigende Subventionen. Die brisante Aussage entstammt nicht irgendeinem ideologischen Pamphlet, sondern einer aktuellen Studie der eidgenössischen
Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL und der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz SCNAT /Forum Biodiversität Schweiz. Detailliert listet die Studie 162 verschiedene «Tatbestände» auf und kategorisiert sie nach Sektoren und Ausmass der schädigenden Wirkung auf die Biodiversität.
Es überrascht nicht, dass die Bereiche Verkehr, Landwirtschaft und Siedlungsentwicklung
besondere Schwerpunkte biodiversitätsschädigender Subventionen bilden. Sie beanspruchen den Löwenanteil der Gesamtsumme der untersuchten Subventionen und wirken in der Fläche besonders schädlich.
Auf den ersten Blick etwas überraschend wirken hingegen gewisse, mindestens teilweise
biodiversitätsschädigend wirkende Subventionen für die Forstwirtschaft. Gilt doch der Wald gemeinhin als Hort der Nachhaltigkeit und Artenvielfalt. Gemessen am Gesamtumfang der untersuchten Subventionen ist das Konfliktpotenzial in der Forstwirtschaft zwar klein. Dennoch gilt es im Interesse der langfristigen Sicherung der Artenvielfalt im Wald, die eingesetzten Mittel möglichst zielführend einzusetzen. Als Beispiel für subventionierte Aktivitäten, die zur Verarmung der Artenvielfalt im Wald führen können, seien gewisse Massnahmen im Rahmen des NFA-Programms Waldbewirtschaftung erwähnt (NFA: Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen). Das Programm Waldbewirtschaftung will die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit
der Forstwirtschaft fördern, beispielsweise durch Erreichen höherer Erntevolumen und verkürzter Umtriebszeiten (Umtriebszeit bezeichnet die Dauer von der Begründung eines Waldbestandes bis zu dessen Nutzung). Oftmals wirken solche Massnahmen zulasten der Biodiversität. Ein Bioweiteres Beispiel kann die Subventionierung von Waldstrassen sein. Letztere ermöglichen die intensivere Bewirtschaftung in abgelegenen Gebieten und können den Widerstand gegen das Ausscheiden von Reservatzonen verstärken. Zusätzlich fördern
sie infolge der stärkeren Befahrung und Begehung des Waldes die Verbreitung invasiver Neophyten, die einheimische Arten verdrängen. Ein ganz anderer Bereich mit potenziell biodiversitätsschädigender Wirkung sind kommunale Defizitgarantien für die öffentlichen Forstbetriebe. Sie verstärken oft die Intensität der Waldbewirtschaftung und damit den Fokus auf die reine Stammholzproduktion.
Energieholz fördert Biodiversität
Zum Glück gibt es gute Beispiele, wie die oben genannten Subventionen für die Biodiversität gewinnbringend einsetzbar sind. Im Wald bieten sich dafür zahlreiche Möglichkeiten. Bereits heute haben viele Forstbetriebe den Fokus von der Stammholzproduktion mit einigen wenigen, besonders produktiven Baumarten auf die Schaffung und den Erhalt vielfältiger, artenreicher Waldbilder gelegt. Dazu gehören lichte Wälder mit reicher Tier- und Pflanzenwelt in der Unterschicht genauso wie die Belassung sogenannter Altholzinseln, wo alte und sogar abgestorbene Bäume einen grossartigen
Lebensraum für zahlreiche Arten bieten. Die Bedrohung wichtiger einheimischer Baumarten
wie Buche, Fichte und Weisstanne durch die Klimaerwärmung beschleunigt das Umdenken und den Handlungsbedarf noch zusätzlich. Die Anpassung an die sich ändernden Bedingungen mit mehr Hitze und Trockenheit bedingt artenreiche Wälder mit einem höheren Anteil an Laubbäumen wie Eiche, Linde, Kirsche und Ahorn. Auch die Zumischung von bisher nördlich der Alpen wenig verbreiteten Arten wie Edelkastanie oder Robinie oder gar von Exoten wie dem Tulpenbaum ist prüfenswert. Forstbetriebe, die ihre Bestände schon heute in diese Richtung entwickeln, werden in Zukunft zu den Gewinnern gehören. Der Umbau zu stabilen, hitze- und trockenheitsresistenteren Wäldern ist sehr zeit- und geldintensiv, denn die genannten Arten müssen meistens aufwendig gepflanzt, geschützt und gepflegt werden. Ihre Nutzung kann unter dem Gesichtspunkt der Erhaltung der Vielfalt erfolgen und ist eine Herkulesaufgabe für die kommenden Jahrzehnte. Genau hier bietet sich die Chance, das anfallende Holz energetisch zu nutzen. Denn die Verwendung als Energieholz stellt nur geringe Anforderungen an die Qualität der Baumstämme und an die Baumart. Und der erzielbare Energieholzpreis ist bei geringem Ernteaufwand durchaus interessant. Dies aufgrund der Notwendigkeit, die gesamte Energieversorgung auf CO2-neutrale und -freie Energieträger umzustellen.
Handlungsbedarf in die Praxis übersetzen
Es ist aus diesem Grund zu fordern, die Vergabe von Subventionen künftig vermehrt an Kriterien ihrer Auswirkungen auf die Biodiversität zu knüpfen. Es braucht nicht weniger, sondern mehr Subventionen zugunsten zukunftsfähiger Wälder. Damit verbunden ist keine Erhöhung der Gesamtsubventionen, sondern eine Umlagerung besonders schädlicher Subventionen in besonders biodiversitätsfördernde Massnahmen. Das heisst nicht, dass der Wald nicht mehr gut erschlossen sein soll oder dass die Forstbetriebe keine Defizitgarantien
mehr erhalten. Es heisst ganz im Gegenteil, die Gesamtsumme zugunsten der Forstwirtschaft zu erhöhen und ihr damit die Möglichkeit zu geben, unsere Wälder aktiv
umzugestalten, damit Letztere den immer häufigeren klimatischen Extremereignissen besser standhalten können. Eine weitere, sehr effiziente Massnahme ist die finanzielle Förderung von Holzheizungen. Denn eine einmal gebaute Anlage schafft für Jahrzehnte
eine stabile Nachfrage nach Energieholz. Der ausgewogene Mitteleinsatz für Massnahmen auf der Angebotsseite Forstwirtschaft und der Nachfrageseite Holzheizungen kann einen grossen Beitrag zugunsten artenreicher Wälder und gleichzeitig zur Erreichung der klimapolitischen Ziele leisten. Dafür werden zurzeit zu wenig Subventionen eingesetzt. Für biodiversitätsschädigende Aktivitäten fliessen hingegen nach wie vor zu viele Mittel. Ein
Ausgleich im Sinne des Erhalts und der Förderung der Biodiversität tut not. Eine Reduktion der biodiversitätsschädigenden Subventionen um lediglich zehn Prozent und eine Umlagerung der freiwerdenden Mittel würde eine Verdreifachung der heutigen biodiversitätsfördernden Subventionen erlauben.