Das Thema Lernen auf dem Bau löst bei vielen Zeitgenossen immer noch archaische Bilder von klassischen staubigen Situationen aus. Die Realität gestaltet sich heute etwas anders. Dies verdeutlicht die folgende Reportage vom CAMPUS SURSEE.
Auch beim Thema Strassenbau hat das Thema digitale Transformation Einzug gehalten. «Und jetzt alle auf Konvink einloggen», sagt Schulleiter Ruedi Furter, und schon flitzen Dutzende künftige Polierhände über die Tastaturen ihrer Laptops. Kurz darauf erscheint die Lernplattform Konvink auf der Leinwand.
Mit einem Einstiegsvideo zum Warmwerden beginnt Furter seinen Unterricht für die angehenden Strassenbau-Poliere. Seine Schüler vertiefen sich in die Inhalte der Lernplattform. Sie verarbeiten einen Wissensbaustein zum Thema Belagsbau. Anschliessend kontrollieren sie die Trainingseinheiten, um ihr neues Wissen zu überprüfen. Jeder Schüler kann damit selber entscheiden, ob er für die anstehende Modulabschlussprüfung bereits über genügend Wissen verfügt.
Jeder in seinem Tempo
Im Schultrakt der Polierschule Verkehrswegbau dreht sich alles um die Lernplattform Konvink. In diesen vier Zimmern lernen die künftigen Poliere zum grossen Teil selbstorganisiert. Auch eine Etage höher, wo sich eine Klasse künftiger Vorarbeiter gerade um Mathematik kümmert, ist es nicht anders. Die Schüler bestimmen ihr Lerntempo selbst. Auf einem Bildschirm leuchten die Grundlagen des Phytagoras, auf einem anderen flimmert ein Lernvideo zu Flächenberechnungen.
Von aussen sehen die Schulzimmer aus wie alle anderen. Ein zweistöckiges Gebäude mit flachem Dach. Davor ein begrüntes Flachdach und im Innern breite Gänge, die zu den Gastro- und Hotelanlagen führen. Denn im CAMPUS SURSEE kann man auch essen und schlafen, wenn die Zeit zwischen dem Bearbeiten der Lernplattform dafür ausreicht. Denn die Lerninhalte und Trainingsmöglichkeiten stehen 24 Stunden zur Verfügung und selbstverständlich auch nach den Lernsequenzen.
Digitale Transformation vorantreiben
Für viele ist die Vorarbeiter- und Polierschule des CAMPUS SURSEE ein Ort der Zukunft, ein Vorreiter, an dem sich andere Schulen im Land orientieren sollen. Der Fachverband Infra hat das Projekt angeschoben. Nach der kompetenzorientierten Umgestaltung der Grundbildung lag es auf der Hand, auch die Weiterbildung zu modernisieren. Der CAMPUS SURSEE hat die Entwicklung auch für das Berufsfeld Hochbau ausgeweitet. Das individualisierte Lernen sowie die ganzheitliche Kompetenzentwicklung ist für die Baubranche die Zukunft. Der CAMPUS SURSEE setzt sich dafür ein, dass dieses Modell forciert wird. Bereits interessieren sich andere Schulen und Branchen für die digitalen Lernmethoden am CAMPUS SURSEE. Doch die Geschichte des CAMPUS SURSEE zeigt auch auf, dass dieser Weg ein steiniger sein kann. Schüler, die sich in ihrer Grundbildung noch an starren Frontalunterricht gewöhnt haben, tun sich schwer mit der neu geforderten Selbstorganisation. Nun reagiert auch der Baumeisterverband und stellt die Berufsbildung des Bauhauptgewerbes innerhalb eines Projektes neu auf.
Frontaluntericht war gestern
Adrian Häfeli sitzt in seinem kleinen Büro, vor ihm zwei Bildschirme, hinter ihm ein Regal mit wenig Papier in wenig Ordnern. Der Leiter der Ausbildungen für das Baustellenkader gehört zu jenen, welche mit aller Kraft hinter dem stehen, was in den Vorarbeiter- und Polierschulen am CAMPUS SURSEE passiert. Für Besucher ist Häfeli stets bereit, einen Einblick in die durch ihn mitgestaltete Lernplattform zu geben. Begriffe wie Office, Blended Learning oder selbstorganisiertes Lernen schwirren durch den Raum, und schnell wird klar: Viel ist hier vom alten Frontalunterricht nicht mehr übriggeblieben.
Trotzdem stehen den Klassen eigene Schulzimmer zur Verfügung, wo sie im geschützten Umfeld des CAMPUS SURSEE Lernfortschritte erzielen und den gemeinsamen Erfahrungsaustausch leben. Etwa ein Drittel der Unterrichtszeit spielt sich auf Konvink ab, wo die Lernenden selbstorganisiert arbeiten. Statt Frontalunterricht gibt es nur noch vereinzelte Input-Lektionen und Fachreferate – zentrales Arbeitsinstrument ist das Laptop. Mit ihm greifen die Lernenden auf die digitalen Lehrmittel zu, nutzen Trainingseinheiten und Lernzielkontrollen oder weiterführende Lernseiten und Links.
Eine Vorreiterrolle in der Bildungslandschaft
«Was wir hier machen, ist zeitgemäss und bereitet unsere Schüler auf die digitale Zukunft vor», sagt Häfeli während er seine Lernplattform präsentiert. Künftig sind ganzheitliche Kompetenzen gefragt, um dem rasanten Tempo Paroli zu bieten, in welchem sich das Berufsbild des Poliers bewegt. Wissen wird zum Trostpreis, wenn die Methoden- und Sozialkompetenzen fehlen, um dieses Wissen anzuwenden und umzusetzen. Daher ist nicht nur der Einsatz von digitalen Hilfsmitteln wichtig. Auch der Austausch untereinander, das Aneignen von Kompetenzen sowie die wesentlichen Inhalte in der Flut von Informationen zu filtern, sind wichtige Faktoren. Bei Fragen steht jederzeit ein ausgebildeter Ausbildungscoach bereit. «Unser Modell rüstet die Lernenden besser für die moderne Arbeitswelt aus, weil sie selbstständiger werden, zuverlässiger und initiativer», betont Häfeli.
Immer mehr andere Schulen oder bildungsnahe Organisationen interessieren sich für die vom CAMUPUS SURSEE entwickelten Ausbildungen. Dies sogar über die Sprachgrenzen hinaus. Einmal mehr übernimmt der CAMPUS SURSEE eine Vorreiterrolle und strahlt in die gesamte Bildungslandschaft Schweiz.