In den Siebzigern und Achtzigern schossen Shoppingcenter wie Pilze aus dem Boden. Heute, 30 Jahre später, steht ein Grossteil der rund 200 Schweizer Center vor der Frage, wie diese erneuert werden können.
Der Shoppingcenter-Markt ist seit Längerem gesättigt. Dies gilt für den gesamten physischen Handel und wird sich mit Blick auf das starke Wachstum und die zunehmende Diversifizierung im Online-Handel nicht verändern. Dazu kommen in städtischen Gebieten Bahnhofsareale sowie neue Wohn- und Büroraumkomplexe, die mehr und mehr mit Retail-Angeboten für den täglichen Bedarf aufwarten. Für bestehende Shoppingcenter geht es deshalb darum, wettbewerbsfähig und attraktiv zu bleiben, was Kreativität und Innovationkraft verlangt. Sowohl bei Um- wie auch Neubauten besteht dabei die Herausforderung darin, dass die Amortisation von architekturbezogenen Massnahmen langfristig ist, gleichzeitig aber immer schneller auf gesellschaftliche Veränderungen reagiert werden muss.
Eine Frage der Positionierung
Bevor deshalb etwelche bauliche Massnahmen getroffen werden, lautet die wichtigste Aufgabe, sich im Markt und im unmittelbaren Umfeld des Standortes eines Centers zu positionieren. Das Konzept «alles für alle» ist kein Erfolgsgarant mehr. Die grösste Chance in einem Revitalisierungsprozess liegt in der konsequenten Neuausrichtung eines Centers – in einer klar erkennbaren Positionierung, womit es sich von Mitbewerbern unterscheidet.
Sich von alten Erfolgsrezepten zu trennen, braucht den Mut, sich auf ein Besucherbedürfnis oder eine Kundengruppe zu fokussieren und diese Positionierung in allen Bereichen umzusetzen, das heisst von der Flächennutzung und dem Mietermix bis hin zur Architektur und Inszenierung des Centers. Das Center wird zur Marke und steht im Kontext zu seiner Umgebung. Moderne Mall-Konzepte konzentrieren sich stark darauf, den Community-Gedanken erlebbar zu machen. Die Entwicklung geht immer weiter weg von einem reinen Verkaufsort hin zu einem Erlebnisort, zu einem Third Place, wo sich Menschen begegnen, treffen, unterhalten und austauschen können.
Dass der Third Place einer der Trends ist, der die Entwicklung von Shoppingcentern stark beeinflussen wird, bestätigt auch eine Studie des Schweizer Architekturbüros Mint Architecture. In dieser wurden die Megatrends im Retailhandel untersucht und ein umfassender Massnahmenkatalog für eine zielgerichtete Anpassung von Shoppingcentern entwickelt. Dieses systematische Vorgehen wenden Spezialisten für kommerziell genutzte Architektur konsequent in Revitalisierungsprojekten an. Mithilfe modernster Tools entstehen Nutzungs- und Gestaltungskonzepte, die sich auf den Endkundennutzen und die Positionierung ausrichten.
Welten und Erlebnisse schaffen
Dieses Vorgehen zeigt sich exemplarisch an einem kürzlich abgeschlossenen Revitalisierungsprojekt für das in der Nähe von Zürich gelegene INSIDE Shoppingcenter. Das 2014 im direkten Umfeld grosser Fachmärkte und bekannter Grossverteiler eröffnete Center konnte sich zu wenig von den anderen Angeboten abheben. In der ersten Phase analysiert das Architekturbüro die vorliegenden Markt- und Kennzahlen sowie marktrelevante Kriterien wie Standort, bauliche Strukturen, Frequenzen, Passanten und Umsätze. Daraus ergaben sich drei Handlungsfelder: die Entwicklung einer Gesamtinszenierung von Center und Mall entsprechend der neuen Markenpositionierung, die Schaffung von Begegnungs- und Interaktionszonen mit Blick auf die Customer Journey sowie die Neukonzeption der Gastrowelt inklusive Massnahmen bezüglich Mietermix und Flächennutzung.
Das für das Shoppingcenter entwickelte Nutzungs- und Gestaltungskonzept verfolgt den Ansatz des Third Place. Mit einem attraktiven Mix aus Retail, Gastronomie und Dienstleistung entsteht für ein vornehmlich weibliches Publikum und junge Familien ein Treffpunkt für Fashion, Beauty und Lifestyle. Das neue Architekturdesign entspricht dem neuen frischen Gesamtauftritt des Centers und wird auf allen Ebenen umgesetzt. Boden, Fassade, Aussen- und Eingangsbereich erhalten ein auffälliges Visual Design, das sich im Innenraum im Beschriftungskonzept und in der Kundenführung konsequent weiterzieht. Wo vormals nüchterne Mall-Architektur geherrscht hatte, laden heute Lounge-Zonen mit Pop-up-Store-Elementen und auffälligen Screens zum Verweilen ein.
Sich abhebende Gastronomie
Neben der architektonischen Gesamtinszenierung galt ein weiterer Schwerpunkt der besseren Profilierung des Gastroangebotes, um die tägliche Kundenfrequenz zu erhöhen. Für die bestehenden Mieter wird eine Gastrowelt entworfen, die dem urbanen Flair mit bedienten Take-Away-Konzepten gerecht wird und die sich klar von dem umliegenden Fastfood-Angebot abhebt. So bietet die umgebaute Pizzeria mit Pizzaofen und einem kleinen Food-Shop echte Italianità und für kürzere und längere Besuche verschiedene hohe und tiefe Sitzgelegenheiten sowie eine lange Tischtafel für Familien. Währenddessen lädt das authentisch anmutende asiatische Restaurant zur schnellen Verpflegung am Sushi-Band ein. Beide Gastrobetriebe öffnen sich nach aussen zur Mall und schaffen so eine Verbindung zu den Shops. Ein attraktiver Anziehungspunkt ist aber auch die vom bekannten Schweizer Gartenarchitekten Enzo Enea gestaltete Rooftop-Terrasse, die ebenfalls von beiden Restaurants zugänglich ist.
Das Projekt zeigt, dass eine erfolgreiche Revitalisierung von Shoppingcentern weit über bauliche Massnahmen hinausgeht. Das neue INSIDE hat sich als Marke mit klarer Ausrichtung positioniert, was die Grundlagen für weiteres Wachstum und eine erfolgreiche Vermarktung legt.