Ob Wolle, Aerogel oder Beton – die Möglichkeiten, ein Gebäude dämmen zu können, sind heutzutage vielfältiger als je zuvor. Besonders im Kommen sind zurzeit natürliche Materialien wie beispielsweise Dämmwände aus Schafwolle. Mit der Schweizer Energiewende sind aber nicht nur natürliche Materialien auf dem Vormarsch, auch einige Herausforderungen bahnen sich an.
Heutzutage stehen die unterschiedlichsten Materialien zur Verfügung, um ein Gebäude zu dämmen. Der Kurs Dämmung 4.0 von energie-cluster.ch präsentierte im Oktober in Zürich die vielfältigen Möglichkeiten. Durch die Energiestrategie 2050, ausgelöst durch die Reaktorkatastrophe von Fukushima im Jahre 2011, wurden diverse Massnahmenpakete geschnürt: Eines zielt darauf ab, die Energieeffizienz zu steigern und den Ausbau der erneuerbaren Energien zu fördern. Seit 2009 können die Betreiber von Solaranlagen beispielsweise eine Einspeisevergütung beantragen.
Für die Dämmungsbranche bringt dies einige Herausforderungen mit sich und stellt sie vor einige Erschwernisse: Reicht ein Treppenhaus und/oder ein Aufzugsschacht von einem beheizten Geschoss in ein unbeheiztes Untergeschoss, gelten bei den umschliessenden Bauteilen im Untergeschoss die Einzelbauteil-Anforderungen. Der Grenzwert für Fenster muss unabhängig von der Neigung des Fensters eingehalten werden. Der Ug-Wert ist von der Neigung abhängig, was sich erheblich auf den zu erreichenden Uw-Wert des (Dach-)Fensters auswirkt. In der Praxis ist dies allerdings meist nicht so leicht umzusetzen. Bei grossen Fensterfronten beispielsweise können die Anforderungen mit Zweifach-IV nicht eingehalten werden, und auch mit Dreifach-IV wird es durch den Kaltluftabfall erschwert. Denn gemäss SIA 180 darf ein Fenster mit Uw 0.9 W/m2k bei minus fünf Grad Celsius Aussentemperatur nur maximal eine Höhe von 1.5 Metern aufweisen, ansonsten ist der Kälteabfall zu hoch. Somit sinkt auch das Wohlgefühl im Gebäude.
GESCHICHTE DES DÄMMENS
Doch wann kommt welches Dämmmaterial zum Einsatz? Wo werden nur acht Zentimeter Aerogel benötigt, wo 65 Zentimeter Sichtbeton? Hier kommt es auf den Auftrag an sich an (vgl. dazu auch das Interview mit Stefan Bürkli auf Seite 122). War zum Beispiel beim Neubau eines Mehrfamilienhauses mit dem Minergie-P-A-Label nur eine dünne Schicht Aerogel vonnöten, so braucht man für den Neubau des Tanzhauses in Zürich dicke Schichtbetonmodule. Tatsächlich ist jedoch, so Bürkli, meist der Fall, dass eine Kombination unterschiedlicher Dämmlösungen eingesetzt wird.
Was die Wärmeleitung angeht, so ist sie bei Naturmaterialien am höchsten. Das war den Menschen bereits vor über 7 000 Jahren bekannt, wurden die ersten Behausungen doch mit Fell, Leder und Wolle vor Kälte geschützt. Später kamen dauerhaftere Materialien wie Erde, Holz, Stein und Ziegel zum Zuge, gepaart mit pflanzlichen Fasern aus Stroh, Seegras oder Reet. Von 1870 bis 1950, im Zuge der Industrialisierung, fing man an, mit Zellulose, Kork und Holzwolle zu dämmen. Auch hohle Ziegel, mineralische Materialien wie Mineralwolle, Asbest und Glasfasern kamen auf. Kunststoff und Kunstschaum hatten ihren Höhepunkt von 1950 bis in den Anfang der 2000er-Jahre. Ab dem Zeitpunkt rückte die Nachhaltigkeit in den Fokus: Auf einmal kamen Dämmwände aus Schafwolle oder Aerogel dazu. Letzteres wiederum ist als Monolith, Granulat, Rollen, Platten, Dämmputz oder gar als transluszente Elemente erhältlich.
KEINE HIPPIEBEWEGUNG MEHR
Die Dämmung mit Schafwolle steckt in der Schweiz noch in den Kinderschuhen. Doch langsam, aber sicher kommen Firmen wie Fisolan beispielsweise vom «BirkenstockImage» weg. Die Motivation, sich als David gegen die Goliaths der Dämmbranche beweisen zu können, ist vorhanden und ist gross. Heutzutage ist in, wer natürlich dämmt. Damit kann sich Schafwolle immer besser behaupten. Fisolan selbst arbeitet mit 100 Prozent Schweizer Schafwolle von rund 450’000 Schweizer Schafen.
Schafwolle ist schwerer brennbar als andere Materialien, sei sie zum Fugenzopf oder zur Dämmplatte verarbeitet. Sie ist grifffest und wird mit Stützfasern verstärkt. Zudem ist sie ein natürlicher Schutz gegen Motten, und in der Zopfform ist kein Verknoten möglich. Ein Wollpullover mit einem Gewicht von einem Kilogramm kann bis zu 0.3 Liter Luftfeuchtigkeit aufnehmen, ohne dass er sich feucht anfühlt. Dies ist insbesondere auf die Hohlräume im Faserinnern zurückzuführen.