Auf dem Bau ist Wiederverwenden nichts Neues. Früher nannte man es schlicht Sanierung: Fenster ausbauen und renovieren, Türen abschleifen, Fassade sanieren – und wieder einbauen. Nun hat das Kind einen neuen Namen: «Re-Use». Und ein grösseres Spielfeld. Aber auch neue Schwierigkeiten sind hinzugekommen.
«Re-Use» folgt drei Strategien:
Erstens: Ausbauen und unverändert wieder einsetzen – das Bauteil bleibt in Form und Funktion erhalten, nur der Standort ändert sich.
Zweitens: Umnutzen – man schneidet, fräst und passt ein Teil an eine neue Funktion an. Aus einer Gussaluminiumfassade wird eine Brüstungsverkleidung. Aus der Steinfassade werden Bodenplatten oder Plättli fürs Bad.
Drittens, die Königsklasse: Aufwerten – das alte Bauteil wird modernisiert, sein Charakter bleibt erhalten. Ein historisches Fenster wird aufgeschnitten und mit neuen Dichtungen und einem Zusatzglas versehen. So entspricht es aktuellen Normen und Komfortansprüchen – und man rettet ein Stück Baukultur.
Klingt einfach. Ist es aber nicht.
Denn hinter «Re-Use» bauen sich zwei Hürden auf: die Qualitäts-anforderungen und die Sicherheitsstandards. Viele alte Bauteile erreichen heutige Normen nicht, weder energetisch noch baurechtlich. Dann gibt es nur zwei Wege: die Norm anpassen, was nicht ganz einfach ist – oder das Bauteil ertüchtigen, was aufwendig oder auch unmöglich sein kann. Denken Sie an eine 40-jährige Brandschutztür. Niemand wird für ein Bauteil garantieren, welches jemand anderes produziert hat und vor 40 Jahren unter alten Normen zugelassen wurde.
In Architekturwettbewerben bringen «Re-Use»-Teile mittlerweile willkommene Bonuspunkte. Umgesetzt werden die Ideen dann aber nicht immer. Leidet die Qualität und der Komfort oder ist der Kostendruck zu gross, dann ist das Thema schnell wieder vom Tisch. Gerade in unsicheren Zeiten ist Nachhaltigkeit leider oft das erste Opfer.
Ernsthafter «Re-Use» verlangt einen anderen Planungsansatz: «Design for Disassembly». Es gilt: bloss nicht kleben, keine Verbundwerkstoffe! Verzichten Sie auf Sandwich-Konstruktionen. Wir haben uns «Design for Disassambly» schon vor Langem zum Prinzip gemacht. So können einzelne Bauteile auch in 30 oder 50 Jahren wieder ausgetauscht und umgenutzt eben «Re-Used» werden.
«Re-Use» verlangt präzise Planung, technische Expertise und handwerkliche Sorgfalt. Jeder Arbeitsschritt zum aufgewerteten Bauteil gehört ins Leistungsverzeichnis – und arbeiten Sie nur mit Unternehmern, welche die Erfahrung und das nötige Feingefühl für historische Bauteile mitbringen. Denn wenn eines der alten Teile beschädigt wird, ist es weg – es gibt keinen Ersatz.
«Re-Use» ist eine Haltung. Wer ihn ernst nimmt, konstruiert anders. Denn Materialien sind seltene Rohstoffe, voll grauer Energie, die im Stoffkreislauf bleiben sollen. «Re-Use» ist nicht «nice to have», sondern eigentlich der einzige Weg zu echter Nachhaltigkeit auf dem Bau.
Stephan Speiser B.Sc. Bauingenieur Gebäudehülle HSLU Geschäftsführer / Inhaber
Speiser Metallbauplanung GmbH