Die Digitalisierung als Chance für Frauen auf dem Bau
von Johannes Heinrich
Auch wenn der Bausektor nach wie vor von Männern dominiert wird, sind im deutschsprachigen Raum Frauen auf Baustellen immer häufiger anzutreffen. Die zunehmende Digitalisierung der Bauindustrie trägt zu diesem Trend entscheidend bei. Trotzdem müssen weibliche Arbeitskräfte beim Einstieg in das Baugewerbe nach wie vor Hürden überwinden.
Auch 2020 gilt das Bauwesen noch immer als Männerdomäne. Das belegen nicht zuletzt aktuelle Statistiken. So machen Frauen laut der deutschen Bundesagentur für Arbeit etwa 15 Prozent der Arbeitskräfte im Bauhauptgewerbe aus. Zahlen, die in der Schweiz und in Österreich auf einem ähnlichen Niveau liegen.
Die Gründe für diesen noch überschaubaren Anteil sind vielfältig. Generell gilt die Arbeit auf der Baustelle als schmutzig und körperlich anstrengend. Darüber hinaus scheint auch das Arbeiten mit schweren Maschinen viele junge Frauen im Ausbildungsalter abzuschrecken. Da hilft es auch nicht, dass in der Baubranche mitunter ein rauer Umgangston herrscht und dass Stereotype und Klischees nach wie vor weit verbreitet sind.
Ein weiterer Faktor: Familie und Bauprojekte lassen sich wegen fester Arbeitszeiten oder aufgrund von häufiger Reisetätigkeit nicht immer miteinander vereinbaren. Hinzu kommt, dass viele Unternehmen im Bausektor noch recht unflexibel agieren, wenn es um die Einführung alternativer Arbeitsmodelle geht. Das hat zur Folge, dass sich viele Frauen zwangsläufig nach einer anderen Tätigkeit in einem familienfreundlicheren Bereich umsehen müssen, sobald das erste Kind auf dem Weg ist.
WIE BAUUNTERNEHMEN PROFITIEREN
Dass es auch im Interesse der Unternehmen im Bausektor liegt, das zu ändern, hat nicht nur damit zu tun, dass Fachkräfte vielerorts rar sind. Denn weibliche Führungskräfte und Mitarbeiterinnen bereichern Teams, da sie neue Perspektiven und Ideen einbringen. Das wirkt sich auch positiv auf die Zahlen aus. Laut Studien wirtschaften Firmen mit Frauenanteil besser und weisen zudem höhere Innovationsraten auf.
DER DIGITALE WEG
Dass sich dieses Bild langsam ändert, liegt unter anderem auch an der fortschreitenden Digitalisierung im Baugewerbe. Traditionell ein Nachzügler, wenn es um Anwendung neuer Technologien geht, hat der Bausektor in den letzten Jahren das Potenzial der Digitalisierung für mehr Effizienz erkannt. Beispiele sind der Einsatz von Sensoren, Drohnen, Virtual-Reality-Systemen und Software-Lösungen. Die Anwendungsmöglichkeiten reichen dabei von der Planung über die Errichtung bis hin zur Wartung von Objekten.
Der verstärkte Einsatz neuer Technologien führt wiederum zu einem hohen Bedarf an qualifiziertem Personal. In Zeiten des Fachkräftemangels herrscht bei den Unternehmen der Branche ein starker Wettbewerb um den verfügbaren Nachwuchs. Frauen profitieren von gezielten Förderungen bis hin zu betriebseigenen Kindergärten. In diesem Zusammenhang ist auffällig: Junge weibliche Arbeitskräfte sind im Baugewerbe verstärkt in jenen Bereichen vorzufinden, in denen technologische Neuerungen und digitale Lösungen zum Einsatz kommen.
HOHE TECHNISCHE QUALIFIKATION
Frauen, die auf Baustellen als Drohnenpilotinnen oder mit dem Tablet in der Hand zur digitalen Mängelerfassung unterwegs sind, entsprechen somit dem bisherigen Trend. Denn weibliche Kräfte bei Bauvorhaben sind am häufigsten in Bereichen oder Positionen anzutreffen, die eine höhere technische Ausbildung voraussetzen: Architektur, Bauingenieurwesen, Vermessung und Kartografie. Hier machen sie zum Teil mehr als ein Viertel der vorhandenen Arbeitskräfte aus. Tendenz weiter steigend. Das nimmt dem weit verbreiteten Argument Wind aus den Segeln, dass Frauen Arbeitsbereiche mit hohem Technikanteil scheuen.
WARUM ES SICH LOHNT
Digitalisierung und der Einsatz neuer Technologien sorgen dafür, dass die Effizienz vom Projektmanagement bis hin zu Bauprozessen steigt. Frauen spielen in der Entwicklung und Anwendung neuer Lösungen zunehmend eine entscheidende Rolle. Dieses Fachwissen lassen sich die Unternehmen im Bausektor etwas kosten und stellen Mitarbeiterinnen eine entsprechend hohe Entlohnung in Aussicht. Doch es gibt noch weitere Gründe, warum Frauen den Weg auf die Baustelle suchen sollten. Zum einen ist die Baubranche für weibliche Kräfte in vielerlei Hinsicht noch immer Neuland. Gerade in den nach wie vor stark männerdominierten Handwerksberufen können Frauen oft eine Vorreiterrolle einnehmen.
Doch auch in anderen Bereichen besteht für Frauen die Möglichkeit, Pionierarbeit zu leisten. Denn durch den zunehmenden Einsatz von Software, Roboter & Co. entstehen auf dem Bau völlig neue Berufsbilder. Ob die Übertragung von 3-D-Modellen an unbemannten Maschinen, die Erstellung von Prognosen zur Bauausführung mittels Künstlicher Intelligenz oder die digitale Dokumentation von erbrachten Leistungen am Bau: Das dafür notwendige
Fachwissen ist nicht mehr ausschliesslich bei männlichen Praktikern konzentriert.
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